Ein kleines Missverständnis ist aufzuklären: 1984 hat die Familie von Landsberg-Velen auf ihrem Schloss Woklum im Sauerland die  erste Deutsche Meisterschaft in Springen und Dressur ausgerichtet. Das bedeutet aber nicht, dass man dort in diesen Tagen die 40. Meisterschaft veranstaltet – nein, es ist „erst“ die zwanzigste! Der Teufel steckt halt mitunter im Detail. Nun aber die von mir versprochene Rückschau auf die ganze Geschichte dieser Meisterschaften.

1948 wurde von deutschen Reiterverband das erste Deutsche Springchampionat ausgeschrieben, obschon es damals die Bundesrepublik noch gar nicht gab. Ein spezielles Titelturnier konnte damals noch niemand ausrichten – man behalf sich einfach damit, die Erfolge der gesamten Saison zu addieren. Die sportliche Reiterei steckte noch in ihren mehr als bescheidenen Anfängen. Kein Wunder nach nur drei Jahren seit Kriegsende.

Also, von 1948 bis 1958 wurde diese Regel eingehalten: Prinz zu Salm und eine Frau namens „H.Voigt“ bekamen die Titel für 1948. Apropos Damen. Von 1949 bis 1954 erhielt Helga Gohde den Titel, besser bekannt unter ihrem späteren Namen Helga Köhler. Bei den Herren stand 1949 und 1950 Georg Eppelheimer ganz vorne, 1951 war es Fritz Thiedemann, danach bis 1955 Hans Günter Winkler. Später wieder Fritz Thiedemann. Bei den Damen siegten  Gerlinde Merten und Renate Freitag.

1959 begann eine neue Ära: Das einfache Aufsummieren von Siegen und Platzierungen hatte ein Ende. In Berlin, unweit des Olympiastadions, richtete man das erste Meisterschaftsturnier aus. Helga Köhler auf Armalva und HG Winkler auf Halla holten die Titel.

Bis zum Ende der siebziger Jahre war Berlin elfmal der Austragungsort. 1975 holte Madeleine Winter-Schulze den Titel im Parcours für die Damen.  Chapeau! Aber auch unvergessene Namen wie Iris Bayer, Lene Nissen, Marion Snoek, Sylvia Kempter, Ute Richter, Romi Röhr, Gisela Franken, Maria Günther, Bertel Kreuder, Anna Clement, Karin Möller Marion Henkel und Hannelore Raab stehen in den Annalen.

Bei den Herren hießen die Titelträger damals Schockemöhle, Paul und Alwin,  sodann Wiltfang, Snoek, Steenken, Schmitz, Schridde und Sönksen. In den achtziger Jahren gab’s einen Generationwechsel zu Namen wie Sloothaak, Huck, Rüping, Beerbaum, Becker, Nagel, Ehning und Deusser. Insgesamt neunmal holte Ludger Beerbaum den Meistertitel, den ersten 1988, den letzten 2011. Bei den Damen dominierten Meredith Michaels-Beerbaum, Helena Weinberg, Iris Bayer, Eva Bitter, Janne Meyer-Zimmermann. Die aktuelle Titelverteidigerin heißt Mylen Kruse,  bei den Herren ist es Marcus Ehning, der aber nicht in Balve sattelt. Alles ohne Anspruch auf Vollständigkeit. (Wen es im Detail interessiert, dem empfehle ich, nachzuschauen bei Wikipedia.)

Jetzt zur Deutschen Meisterschaft auf dem Dressurviereck: 1959 siegte in Berlin Madeleine Winter-Schulze auf einer Stute namens Coca Cola. Kein Wunder, denn ihr Vater Eduard handelte nicht nur mit Autos, sondern besaß auch eine Lizenz zur Herstellung von Coca Cola. (Frau Winter-Schulze hat diese Lizenz geerbt.)

Bei den Herren stand der legendäre und unvergessene Willi Schultheis ganz vorne, von 1959 bis 1961. 1962 siegte Josef Neckermann, 1963 Walter Günther, später eine Zeitlang Bundestrainer. 1966 trat Harry Boldt auf den Plan, 1967 Reiner Klimke, der allein neunmal den Titel holte. Einen Titel sicherte sich auch mein schwäbischer Landsmann Wolfgang Haug. Bei den Damen lesen wir fünfmal den Namen Rosemarie Springer, aber auch Karin Schlüter und Ilsebill Becher. Gabi Grillo, kürzlich gestorben, errang sechs Titel. Nicole Uphoff siegte 1988 zum ersten Male, 1993 zum letzten Male.

Monica Theodorescu, heute Bundestrainerin, holte 1990 den Titel auf Ganimedes. 1991 stand Isabell Werth erstmals ganz oben auf dem Treppchen. Bis heute sind es, wenn ich richtig gezählt habe, insgesamt 17 Titel! (Wichtig zu wissen: Seit 2009 gibt es zwei Deutsche Meistertitel, nämlich im Spezial und in der Kür.)

2021 und 2023 hat Jessica von Bredow-Werndl mit ihrer Dalera alle vier möglichen Meisterschärpen gewonnen. Wie’s diesmal ausgeht in Balve, das werden wir sehen: Natürlich ist Jessica im olympischen Jahr 2024 die klare Favoritin! Aber was im Fußball gilt, gilt auch in der Reiterei: Entscheidend is aufm Platz!“