Welch ein Privileg – mitten in der Woche auf einer Bank am Sattelplatz in der Soers zu sitzen, in die Sonne zu blinzeln und die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Für mich ist der „Tschio“ kein Turnier, für mich ist Aachen ein Zustand! Eine fliegende Untertasse, fernab der Krisen und der Unbilden unserer Zeit. Für ein paar Tage die bitteren Realitäten außen vor lassen. Gehört sich das nicht? Vielleicht. 

Unser französischer Freund „Bosty“ Bost hat gerade das Eröffnungsspringen gewonnen mit Bluemuch. Das bringt ihm tausend Euro – nicht viel, aber immerhin ein Anfang. Pius Schwizer und seine Bakatiana auf Platz zwei, dahinter Mario Stevens, der neue Deutsche Meister, mit Botakara. Rodrigo Pessoa belegt mit Lord Lucio den fünften Rang. Bei strahlendem Sonnenschein strömen die Menschen hierher in die Soers. Der Eröffnungsabend lockt, die Promis (oder solche, die sich dafür halten) drängen zur Medianight. Viel Promis, wenig Medien!

Die schöne Meldung dieses Dienstags: Madleine Winter-Schulze hat heute Geburtstag, wird 81 Jahre jung. Die Glückwünsche auf Schritt und Tritt nehmen kein Ende – zurecht. Ich schließe mich gerne an. Was täte die deutsche Reiterei ohne Madleine Winter-Schulze. Heiter und dynamisch begeht sie ihren Ehrentag auf dem größten Reitturnier der Welt. Wer weiß, wie oft sie schon in der Soers war – wahrscheinlich nicht einmal sie selbst.

Frank Kemperman, der Turnierleiter aus den Niederlanden, führt in dieser Woche sein 29. Turnier – es wird sein letztes sein in dieser Führungsposition. Kemperman wechselt in den Aufsichtsrat des Veranstalters; wer seine Nachfolge antritt, ist noch nicht bekannt, womöglich noch gar nicht entschieden. Und so gehört es sich auch: Erst eine angemessene Verabschiedung, wohl am Sonntag vor großem Publikum, danach die Antwort auf die Frage: Wer trägt von nun an die sportfachliche Verantwortung. Wie und wer auch immer: Frank Kemperman hat aus dem CHIO in Aachen das gemacht, was es heute ist: Das größte, vor allem aber das wichtigste Traditionsturnier der Welt!

Noch einer nimmt Abschied am Ende dieser Woche: Christian von Plettenberg aus Österreich, der 1991 seine erste Ansage in der Soers machen durfte und seitdem am Mikrofon sitzt, von wenigen Jahren abgesehen. Christian sagt mir heute: „Ich habe es selbst entschieden: Dieses soll mein letztes Turnier sein.“ Wenn wir schon bei der Tradition sind: Frank Rothenberger, der führende Parcoursdesigner der Welt, plant und baut heuer zum 23. Male in der Soers die Springbahnen. Auch so eine bemerkenswerte Kontinuität. Enormer Fleiß und Kreativität sind notwendig, um diesen schwierigen „Job“ gut zumachen. Chapeau! Ob er mit dem 25 Turnier Schluss macht – keine Ahnung. Der Mann ist absolut auf der Höhe der Zeit, hat dem weltweiten Parcoursbau wichtige Impulse gegeben.

Was Marcus Ehning in diesen Tagen durch den Kopf geht, ist nicht leicht zu ergründen. Er hat sich jedenfalls entschieden: „Ich reite den Preis der Nationen nicht!“ Also steht das Quartett  für den Donnerstagabend: Janne-Frederike Meyer-Zimmermann, Andre Thieme, Christian Kukuk und Jana Wargers. Alle sind gespannt – um es milde auszudrücken. Vor heimischem Publikum sollte es zuminest ein Platz auf dem Treppchen sein. Finde ich.

Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, von mir wissen möchten, wie sich die Lage aus meiner Sicht darstellt – gerne: Daniel Deusser und Christian Ahlmann werden wohl bei der WM Mitte August in Herning für Deutschland reiten, dazu Andre Thieme und Marcus Ehning. Sofern deren Pferde fit bleiben, das ist ja klar. Vielleicht kommt ja Jana Wargers als Reserve in Betracht. Schaun mir mal!