Nicht weniger als 14-mal hat Isabell Werth den Großen Dressurpreis von Aachen gewonnen. Heute hätte es eigentlich ihr 15. Triumpf werden sollen. Aber die 52-Jährige saß nicht im Sattel, sondern auf der Tribüne. Verkehrte Welt? Am Freitag kamen 6000 ins ausverkaufte Dressurstadion, um den letzten großen Auftritt von Isabell Werth und Bella Rose zu sehen. Heute gab’s fürs Eintrittsgeld keine Isabell Werth zu sehen. Offen gesagt: Früh war die Luft raus aus diesem Kürwettkampf. Zu klar die Ausgangslage für die Aktiven.

Wenige Wochen vor der WM in Herning steht für mich soviel fest: Catherine Dufour und ihr zehnjähriger Westfalenhengst Vamos Amigos können vor heimischem Publikum den ganz großen Erfolg schaffen – wie Edward Gal mit Totilas anno 2010 in Lexington: Dreimal Gold und drei  Titel – in der Kür und der klassischen Tour sowie mit dem Team. Ihr heutiger Sieg in der Kür von Aachen war eine Demonstration der Stärke. Sie selbst lässt alles noch offen: „Ob ich Vamos reite oder Bohemian entscheide ich am letzten Tag des Meldeschlusses.“ Dann nennt sie ihr Erfolgsrezept: „Alles verdanke ich meinem Team.“

Wenn Cathrine die Form ihres Pferdes halten kann, wird sie in Herning womöglich noch mehr als „nur“ die 88,375 Punkte von heute bekommen. Für ihren Sieg durch präzises und kreatives Reiten gab’s eine Prämie von 43 000 Euro – ein wirklich guter Zahltag für die Dressurer. Sie sagte: „Es ist eine große Ehre für mich, jetzt auch auf der Siegertafel hier in der Soers zu stehen.“

Frederic Wandres aus Hagen, der Aufsteiger dieser CHIO-Woche in der Soers, brachte es mit seinem Duke of Britain auf 83,880 Punkte, Rang zwei und 26 000 Euro. Dickes Kompliment! Frederic ist ein schnörkelloser Profi im Sattel, sein Pferd ist zwar schon 15 Jahre alt – ob’s in zwei Jahren für Paris reicht, sei einmal dahin gestellt. Er sagt: „Es war wirklich eine unglaubliche Woche für mich.“ Aus seinem Strahlen darf man schließen, dass er fest rechnet mit einer Nominierung zur WM. Die hätte der Berufsreiter in jedem Fall verdient.

Kritisch anzumerken zwischendrin: Drei Damen fielen der Blutregel zum Opfer in diesen Dressurtagen, neben Isabell Werth auch Adrienne Lyle und Katie Dürrhammer aus den USA – so viele wie selten zuvor. Ergibt sich da eine Fehlentwicklung? Alle drei Dressurpferde bluteten aus dem Maul – nicht sehr, aber doch deutlich. Ist es wirklich notwendig, die Kandaren der Pferde so eng wie möglich zu verschnallen? Wird damit nicht auch provoziert, dass sich die Pferde auf die Zungen beißen? Und manch ein Reiter/in hält sein Pferd mit eiserner Hand am Kopf – aber das ist nicht im Sinne der klassischen Reitkunst.

Dickes Lob an dieser Stelle auch an Benjamin Werndl, dessen schwangere Schwester nach Aachen gekommen war, um ihn zu unterstützen. Ihr sehnlichster Wunsch, nämlich dass der Bruder quasi ihren WM-Platz bekommt, dürfte in Erfüllung gehen. 82,730 Punkte und Rang sechs waren der verdiente Abschluss Benjamins erfolgreichen Woche in Aachen.

Für Ingrid Klimke kann man das nicht so einfach sagen: In der Kür schlichen sich erneut Fehler ein, etwa in den Einer-Wechseln. Am Ende zeigte der Hengst, dass er rhythmisches Klatschen nicht besonders mag. 77,960 Punkte brachten Rang zwölf von 15 Pferden. Hoffen wir, dass Quantaz bis Herning gut in der Spur bleibt. Die „Blood Roule“ gilt übrigens auch für Herning. Ansonsten bleibt festzuhalten: Das Aachener Publikum versteht es meisterhaft, nicht nur die Aktiven zu feiern – sondern auch sich selbst.