In der Aachener Soers läuft der „Tschio“. Kommende Woche wird dort einmal mehr Geschichte geschrieben. Ein Kapitel kenne ich bereits – man könnte es „Klimke & Klimke“ nennen. Weshalb? Ganz einfach: Ingrid Klimke bestreitet zum ersten Male Dressur und Vielseitigkeit. Ihr Vater Reiner Klimke dominierte viele Jahre die Dressuren am Aachener Tivoli. 

Wer mich kennt, der weiß, dass ich sehr viel davon halte, die Entwicklung unseres Sports mit den Pferden als eine historische Entwicklung zu betrachten, die man möglichst genau im Auge behalten muss. Es kommt nicht auf den einzelnen Erfolg oder die einzelne Niederlage an, also nicht auf das Tagesgeschäft, sondern auf die Kontinuität. An Reiner Klimke und seinen Erfolgen in der Soers lässt sich das sehr gut darstellen. 1966 und 1967 siegte er auf seinem Dux zum ersten Mal in der Aachener Einzelwertung. Wohlgemerkt, die Nationenwertung wurde dort erst 1977 eingeführt. 1972 siegte Vater Klimke mit York, 1973 auf Mehmed, wobei zu sagen wäre: 1973 gab’s in der Soers eine EM; der Einzeltitel ging an Mehmed, das Mannschaftsgold auch.

Eine regelrechte Erfolgsserie schaffte Reiner Klimke mit seinem Ahlerich zu Beginn der achtziger Jahre. 1980, 1981 und 1982 sicherten sich die beiden in der Soers den Einzelsieg; damals gab’s die alles entscheidende Kür noch nicht. 1984 erlebten Klimke und sein Ahlerich den Höhepunkt ihrer gemeinsamen Karriere: Olympiasieg in Los Angeles und Einzelsieg in der Soers. Soweit sind Tochter Ingrid Klimke und ihr 14-jähriger Hannoverscher Hengst Franziskus noch nicht. Immerhin hat Monica Thedorescu dieses Gespann zum ersten Male in die offizielle deutsche Equipe berufen.

Soviel ist schon sicher: für Ingrid Klimke wird das eine anstrengende und arbeitsreiche Woche, denn die große Tour der Dressurreiter führt über den Grand Prix, den Spezial und die Kür zum krönenden Abschluss. Das Pensum für die Buschreiter wird in der Soers auf zwei Tage komprimiert. Dressur und Springen am Freitag, der Geländeritt bekanntlich am Samstag. Mit der Westfalenstute Equistro’s Siena just do it gehört Ingrid Klimke ebenfalls zum offiziellen deutschen Team.

2017 hat die Reitmeisterin dieses Pferd gekauft, das damals fünfjährig war. Nach dem überraschenden Aus für Hale Bob durch die Sehnenverletzung in Pratoni del Vivaro soll nun Siena nach Möglichkeit die Nominierung für die WM Mitte September schaffen. Das scheint mir ein recht ambitioniertes Ziel zu sein, selbst wenn die Stute bereits Erfolge auf Vier-Sterne-Niveau vorzuweisen hat. Aachen hat nun mal seine eigenen Gesetze: Durch die vielen Zuschauer und die besondere Stimmung beim Schlussgalopp durch das riesige Stadion hat sich so manches erfahrene Gespann im Endspurt verheddert. Für Klimke geht es um viel, nicht zuletzt weil sie die DM in Luhmühlen ausgelassen hat. Der Druck wächst.

Der Tagessieg in der Soers ist mit 37 000 Euro zwar üppig dotiert, aber der Blick der Aktiven sollte darüber hinaus reichen – das Jahresziel ist und bleibt die WM in der Nähe von Rom. Ich wiederhole es hier gerne noch einmal: Nur wer bei dieser WM unter die besten fünf Teams kommt, hat die Qualifikation für Paris 2024 sogleich in der Tasche. Wie sagte Peter Thomsen, der neue Bundestrainer, dieser Tage: „Unser Augenmerk muss jetzt auf Paris 2024 und auf Los Angeles 2028 gerichtet sein.“ Der  Mann hat ja so recht.