Erst seit wenigen Monaten steht ein neuer Präsident an der Spitze der FN: Hans Joachim „Hajo“ Erbel, 62 Jahre alt, geboren in Weinheim an der Bergstraße – ein ehemaliger Studentenreiter, der beruflich aus der Wirtschaft kommt: „Ich habe unter anderem für Siemens und AEG gearbeitet, für Daimler und für die Frankfurter Messe. Ich war Geschäftsführer der Equitana in Essen.“

Anders gesagt: Der neue FN-Präsident, offenbar ausgeguckt von seinem Vorgänger Breido Graf zu Rantzau, kommt nicht aus der Pferdezucht, nicht vom Spitzensport, nicht aus dem Kreis der erfahrenen Turniermacher – er ist ein Mann aus der Wirtschaft.

In der Soers nahm sich „der Neue“, wie man so schön sagt, eine gute Stunde Zeit, um sich einer Handvoll Journalisten vorzustellen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Auf die Frage nach drei zentralen Themen auf seiner Agenda, antwortet er mit Stichworten: „Mir geht es darum, dass wir in zwanzig Jahren noch reiten dürfen! Es geht mir um das Pferd als Kulturgut und Partner des Menschen. Ich möchte die Basis stärken, möchte, dass wir neue Leute begeistern für das Reiten, und es geht um die Frage: Wie kommen wir in den Schulsport?“

Zum aktuellen Thema Moderner Fünfkampf und die schlechten Bilder aus Tokio äußert Hans Joachim Erbel eine klare Sicht auf die Fakten:

„Die wenigsten dieser Athleten kommen vom Reitsport. Ich sehe einen dringenden Gesprächsbedarf. Wir müssen uns kümmern, obschon die Fünfkämpfer weder Mitglied sind in der FN noch in der FEI. Meine Meinung ist klar: Das Reiten muss aus dem Modernen Fünfkampf herausgenommen werden!“

Mittlerweile haben die führenden Funktionäre des Modernen Fünfkampfes klipp und klar signalisiert: Das Reiten bleibt Teil ihres Wettkampfkonzeptes! Diesen Teil des Wettkampfes wollen sie verändern, leichter machen – nix genaues weiß man heute noch nicht! Die Devise aus dem Reiterlager kann nur so lauten: Dranbleiben! Wachsam bleiben! Kritisch hinschauen! Was in Tokio falsch gelaufen ist, muss allen eine Warnung sein!

Als Hans Joachim Erbel im Journalistengespräch nach seiner Sicht auf den Spitzensport gefragt wurde, antwortete er: „Dazu habe ich noch keine dezidierte Meinung, da muss ich mich erst noch einarbeiten.“ Eine solche Antwort macht mir den Mann sympathisch: Kein rascher Alleswisser! Kein Präsident, der auf alles sofort einen vermeintlich klugen Satz parat hält.

Als es um sein berufliches Feld geht, die Wirtschaft, und um das Privat-Equity-Projekt von Ludger Beerbaum und seinem „Riesenbeck International“, da fühlt sich „Hajo“ Erbel ganz in seinem Element: Er verfolge dieses Projekt mit großen Interesse – er sehe es positiv.

Der mutige „Tschio“

Zur Bilanz in der Aachener Soers 2021 gehört mein Kompliment an die verantwortlichen Macher: Michael Mronz als Vermarker, Frank Kemperman als Turnierchef! Im Schlussgespräch mit der Lokalpresse sagte Kemperman: „Normalerweise haben wir rund 350 000 Besucher, diesjahr waren es nur ein Drittel.

Also konnte es keinen wirtschaftlichen Erfolg geben.“ Trotzdem sind beide der festen Überzeugung, es sei richtig gewesen, nach der Absage für 2020 in diesem Jahr wieder einen „Tschio“ auszurichten, wie die Aachener sagen. Und natürlich gehen beide davon aus, dass es 2022 großen Pferdesport in der Soers geben wird.

Isabell Werth, die heuer ihren 14. Deutsche-Bank-Preis gewann, diesmal auf Quantaz, wird dann den 15. Erfolg anpeilen. Daniel Deusser, der unter frenetischem Jubel den Großen Preis von Aachen gewann auf seiner Stute Killer Queen und wurde fast ohnmächtig vor Glück:

„Ich war mehrmals Zweiter, habe immer davon geträumt, dieses Springen mal zu gewinnen – heute ist es ein unbeschreibliches Gefühl!“

Bedenkt man, was für ein Auf-und-Ab gerade diese olympische Saison 2021 für den sympathischen Daniel war, so gönnt man ihm von Herzen diesen Sieg für die Geschichtsbücher. Übrigens, die Dotierung von zwei Millionen Euro in diesem Rolex-Grand-Prix hatte manchen Topreiter dazu bewogen, auf die EM in Riesenbeck zu verzichten, was für sich genommen schade war – 300 000 Euro Siegprämie sind allerdings ein Wort.

Kommendes Jahr wird das Aachener Turnier hoffentlich wieder seinen alten angestammten Status erlangen: Letzte Qualifikation vor dem Höhepunkt der Saison, das ist 2022 die WM für Dressur und Springen im dänischen Herning.

Kritischer Satz zum Schluss

Wer in diesem Herbst 2021 die Fünfkämpfer zurecht kritisiert, der ist gehalten, auch vor der eigenen Stalltür kräftig zu fegen. Dazu gab leider der erfahrene ungarische Wagenlenker Jozef Dobrovitz einigen Anlass. Auf seiner Marathontour kam eines seiner vier Rösser im Wasserhindernis zu Fall. Ans Aufstehen aus eigener Kraft und Geschicklichkeit war nicht zu denken.

Trotzdem versuchten die Grooms das Problem zu lösen, ohne die Kutsche zu verlassen – ein Fehler! Erst als einige Zuschauer riefen „Runter vom Wagen!“, beorderte Jozef Dobrovitz seine Leute ins Wasser. Keine gute Visitenkarte für den Fahrsport, auch wenn der Ungar seine Fahrt fortsetzen konnte. Von dem Vorfall existieren übrigens Fotos, auf denen die Situation noch dramatischer aussieht als sie letztlich war.

Alle Aktiven, auch die auf dem Kutschbock, müssen wissen, dass es im modernen Turniersport unserer Tage überall Kameras gibt – wirklich überall!