Sehen wir die Geschichte mal salopp: Vor zehn Jahren haben die cleveren Sportberater des Schweizer Uhrenkonzerns Rolex beim Tennis eine in der Praxis weltweit bewährte und renommierte Idee schlichtweg geklaut: den Grand Slam. Und so gibt es seit 2013 den Rolex Grand Slam der Springreiter. Vier Turniere mit ihren Großen Preisen zählen dazu: Aachen, Calgary, Genf und Herzogenbosch. Alle vier Springen sind mit insgesamt fünf Millionen Euro dotiert. Dazu werden Boni ausgeschüttet. Morgen um 14.30 Uhr läutet in der Genfer Palexpo-Halle die Startglocke.

Es ist müssig darüber zu spekulieren, wann und weshalb die Marketingstrategen von Rolex den Entschluss gefasst haben, der Chefetage die Sache mit dem Grand Slam für die Springreiter vorzuschlagen. Womöglich wollte man seinerzeit der von Jan Tops 2006 erdachten Global Champions Tour etwas spektakuläres entgegensetzen. Oder es ging darum, die glorreiche Geschichte der Marke Rolex im Spitzensport unserer Tage neu zu etablieren.

Wie auch immer: Es geht um einen Pokal aus Sterling Silber, den der Londoner Hofjuwelier Garrard anno 1735 geschaffen hat. 45 Zentimeter hoch, zwei Kilogramm schwer. Garrard ist übrigens der älteste Juwelier der Welt, verantwortlich für die englischen Kronjuwelen. Geschichtsträchtiger geht es nicht. Der Pokal, behängt mit grün-goldenen Bändern, ist einer Tulpe mit zwei Henkeln nachgeformt – ein eher  antiquiertes Design. Naturgemäß ein Wanderpokal, den der jeweilige Sieger bei der Siegerehrung hochhalten darf, ehe er wieder in sicheren Gewahrsam genommen wird. Über den reinen Materialwert gibt es keine Angaben. Alles diskret.

Die Grundidee ist, wie könnte es anders sein, der Uhrmacherkunst entlehnt: das Streben nach absoluter Perfektion. So heißt es ganz offiziell – ohne Wenn und Aber! Und ganz offiziell zitiert: „Allein die vier von Rolex gesponserten Großen Preise sind mit fünf Millionen Euro dotiert: Aachen mit einer Million, Spruce Meadows in Calgary mit 2,1 Millionen, Genf mit 1,2 Millionen sowie Herzogenbosch (Anfang März 2023) mit einer Million Euro.“

Jetzt zum reinen Modus, den man bei Rolex selbst als „simpel“ einstuft. Wörtlich heißt es dazu: „Wer drei Turniere, sprich: Große Preise, hintereinander gewinnt, erhält zusätzlich zum Preisgeld einen Bonus von einer Million Euro. Knüpft der Reiter an seine Erfolgsgeschichte an, indem er auch ein viertes Major gewinnt, erhält er einen weiteren Bonus von einer Million Euro.

Auch wer zwei von vier Turnieren (sprich: Großen Preise) gewinnt, bekommt einen Bonus: Werden die Turniere hintereinander gewonnen, beträgt der Bonus 500 000 Euro. Ist der Reiter nach dem „Two out of four-modus“ erfolgreich, also nicht bei zwei aufeinander folgenden Großen Preisen, beträgt der Bonus 250 000 Euro. Es zählt übrigens stets der Reiter, der Gewinn der Boni ist auf verschiedenen Pferden möglich.“ Besonders wichtig zu wissen: „Das System hat keinen Endpunkt, ist losgelöst vom Kalenderjahr – Jahr für Jahr gibt’s die genannten vier Grand Slam-Turniere: Eine unendliche Geschichte!“

Kleiner Blick auf die sogenannte Major-Siegerliste seit 2013 – sie enthält die Namen derjenigen Reiter, die seit den Anfängen die Großen Preise gewonnen haben: Aachen, Calgary und Genf, ab 2018 dann Herzogenbosch, Aachen, Calgary und Genf. Der allererste Sieger in Aachen 2013 war Nick Skelton auf seinem Big Star, der Olympiasieger von London 2012. Kurz darauf, 2014/15, schaffte der Brite Scott Brash den ersten und bisher einzigen Grand Slam-Erfolg: Auf Hello Sanctos siegte der in Genf (2014), danach in Aachen und Calgary (2015) – also drei Grand-Prix-Siege in Folge: Prämie eine Million Euro!

Zum Schluss meiner historischen Rückschau der aktuelle Schwenk auf morgen: Den Grand Prix von Genf gibt es seit 2003: damals siegte der Däne Thomas Velin auf Carnute. Auf der Siegerliste stehen, aus deutscher Sicht, Ludger Beerbaum mit All Inclusive (2007) und Marcus Ehning auf Pret a Tout (2018). Mehr nicht. 2021 und 2019 siegte Martin Fuchs auf Clooney und Leone dei. Der Liebling des Schweizer Publikums verabschiedet an diesem Wochenende in Genf seinen Schimmel Clooney, der sich, wir erinnern uns, vergangenes Jahr bei einem Sturz auf der Weide die Schulter gebrochen hat. Das Pferd ist soweit genesen, dass es seinen Lebensabend auf der Weide verbringen kann.

Immerhin, heute stehen zwei deutsche Reiter im Fokus: Gerrit Nieberg und Ben, die Sieger des Rolex Grand Prix von Aachen, sowie Daniel Deusser, der mit Killer Queen zuletzt den Grand Prix in Calgary  gewinnen konnte, sowie im vergangenen März mit Tobago den GP von Herzogenbosch. Sollte einer von ihnen den Großen Preis gewinnen, bekäme er zunächst einmal 400 000 Franken Siegprämie, dazu einen Bonus bis zu 500 000 Euro, je nachdem, wer von beiden es schafft. Allerdings wollen 38 andere Konkurrenten auch gewinnen. Wer „nur“ Zweiter wird, bekommt zum Trost 240 000 Franken, für Rang drei gibt’s 180 000 Euro. Für Platz 16 zahlt Rolex noch 4000 Franken. Es wird auf jeden Fall ziemlich spannend.

Mehr Infos gibt es im Internet unter Rolex Grand Slam und/oder CHI Genf. Bis morgen.