Die Holstenhalle ist die Kultstätte der schleswig-holsteinischen Reiterei. Und das schon seit Jahrzehnten: 1951 siegte Hans-Jürgen Huck aus der berühmten Reiterfamilie im ersten Großen Preis der Springreiter. 2020 holte sich Mario Stevens den bisher letzten GP. Von morgen an gibt’s in der Holstenhalle den Neustart nach der Pandemiepause. Wichtigster Wettkampf ist am Sonntag die neunte und damit vorletzte Weltcupkür der Saison 2022/23 auf dem Dressurviereck.

Der Blick auf die Meldeliste für diese vorentscheidende Kür, dotiert mit 50 000 Euro, davon 13 750 Euro für die Sieger*innen, zeigt uns dies: Isabell Werth, die aktuell mit 74 Punkten an der Spitze rangiert, wird Emilio reiten. Ingrid Klimke, mit 68 Zählern auf Platz zwei, hat ihren Franziskus gemeldet – für mich der Favorit. Benjamin Werndl, der mit 65 Punkten auf Platz drei liegt, startet nicht, vergibt damit wohl die Chance, das Finale in Omaha/Nebraska zu erreichen. Theoretisch bleiben ihm noch zwei  Gelegenheiten zu punkten – Ende Februar in Göteborg und Mitte März in Herzogenbosch. Das bleibt also recht spannend.

Fünf Reiterinnen kommen aus den Niederlanden: Brouwer, zweimal Nekeman, Scholtens und van der Putten. Für Dänemark satteln Daniel Bachmann Andersen, der 24 Punkte aufweist, sowie Nanna Merrald, die Blue Hors Zepter gemeldet hat, dessen Startrecht aber umstritten ist. Das Pferd, so kritisiert es die österreichische FN, habe die Bedingungen für eine Teilnahme nicht erfüllt. Wie der Streit endet, ist offen. Nanna belegt bis dato den Platz fünf mit 62 Punkten. Bevor sie ihr Pferd in den Flieger nach Nebraska verlädt, sollte klar sein, ob alle Kriterien erfüllt sind.

Aus deutscher Sicht: Ingrid Klimke und Isabell Werth werden den Kürsieg wohl unter sich ausmachen. Also gehe ich davon aus, dass die bereits qualifizierte Titelverteidigerin Jessica von Bredow-Werndl in die USA reisen wird, dazu Ingrid Klimke und Isabell Werth. Die deutschen Dressurstars haben nur drei Startplätze. Ansonsten in Neumünster am Start: Juliane Brunkhorst, Bianca Nowag-Aulenbrock und Hendrik Lochthowe.

Seit 1987 ist Neumünster ein Austragungsort für den Dressur-Weltcup. Erster Sieger war der unvergessene George Theodorescu auf Sunny Boy. Seine Tochter Monica siegte 1993 mit Ganimedes. 1998 siegte erstmals Isabell Werth mit Nobilis; insgesamt stand sie in Neumünster neunmal ganz vorne. Viermal siegte Helen Langehanenberg, einmal Edward Gal mit Totilas, das war 2010. Die letzten beiden Erfolge, 2020 und 2022, gingen an Jessica von Bredow-Werndl mit Dalera.

Damit kein Missverständnis entsteht: 2021 und 2022 gab’s in der Holstenhalle kein Springen, die Dressur fiel nur 2021 aus. Die bekanntesten Namen auf der Meldeliste sind wohl Jeroen Dubbeldam, Rolf-Göran Bengtsson, Yur Vrieling und Janne Friederike Meyer-Zimmermann, die Lokalmatadorin. Marco Kutscher ist zu nennen, der ja wieder nach vorne reitet, ebenso Sophie Hinners, die Woche für Woche von sich reden macht. Die Gebrüder Hassmann sind da, was man gemeinhin Stammgäste nennt. Um Weltcuppunkte geht es für die Springreiter nicht. Letzte Chance, welche zu holen, bietet sich auch für die Springreiter Ende des Monats im Scandinavium von Göteborg.

Nicht zu vergessen: In der Holstenhalle läuft am Sonntag das Finale der Riderstour 2022/23, dotiert mit 52 600 Euro – dahinter stehen die Volks- und Raiffeisenbanken, deshalb heißt das Turnier offiziell „VR Classics Neumünster“. Kommt mir der Name „Riderstour“ ins Gedächtnis, dann denke ich an die hohen Ambitionen, die man anfangs hatte: Hans Werner Aufrecht und Paul Schockemöhle wollten gemeinsam dafür sorgen, dass eine Art von Formel 1 im Springreiten entsteht. Sie konnten sich auf die Dauer leider  nicht einigen, die Zusammenarbeit gestaltete sich schwierig. Jan Tops, auch ein „Alphatier“, hat mit seiner Global Tour den internationalen Maßstab gesetzt – die Riderstour hingegen ist eine schmale deutsche Serie geblieben.