Ein Reiterdenkmal stößt sich selbst vom Sockel! Mark Todd, 2013 von Prinz Charles zum Ritter geschlagen und seither „Sir Mark“, entschuldigt sich jetzt „aus vollem Herzen“. Viel nützen wird es dem 65-Jährigen wohl nicht. Seine brutalen Schläge mit einem Ast auf die Hinterhand eines Schimmels, der nicht geschmeidig ins Wasser galoppieren mag, zerstören das bis dato weltweit so positive Image des einst von der FEI gekürten „Reiter des 20. Jahrhunderts“.
Wie aus dem Nichts taucht vor wenigen Tagen dieses wohl zwei Jahre alte Video von eineinhalb Minuten Länge im Internet auf. Zunächst sieht man eine Gruppe von jungen Mädchen an einer Baumgruppe. Ihr Trainer Mark Tod bricht sich an einem der Bäume einen Ast ab, entfernt einige Zweige – dann kommt ein Mädchen mit einem Schimmel ins Bild, der von links nach rechts flott durch den Teich galoppiert. Als die Reiterin wenden soll, um in der Gegenrichtung durchs Wasser zu galoppieren, zögert der Schimmel, macht dann einen kleinen Satz ins Wasser – allgemeines Gelächter der Umstehenden. Bis dahin eigentlich nichts besonderes – eine Szene, wie es sie in vielen Trainingsstunden gibt. Nicht nur in England.
Beim nächsten Versuch jedoch zögert der Schimmel erst, bleibt dann an der Uferkante stehen, verweigert den kleinen Galoppsprung ins flache Wasser. Plötzlich springt Mark Todd von hinten heran und schlägt mit dem Ast, den er sich verschafft hat, von hinten heftig auf das Pferd ein. Die Szene zeigt, dass Todd in seinem Innersten zornig ist darauf, dass der Schimmel nicht einfach – wie zuvor schon mehrmals – durch den Teich galoppiert. Dabei ging es gar nicht darum, etwa eines der im Teich stehenden Hindernisse zu überwinden. Das Video endet mit erneutem Gelächter der Umstehenden. Wie die Trainingsstunde weiterging, das wissen wir nicht.
Was wir aber wissen, ist dies. Mark Todd schreibt im Internet: „Ich entschuldige mich aus vollstem Herzen bei dem Pferd und allen Beteiligten für meine Taten auf diesem Video. Eines der wichtigsten Dinge, die ich predige, ist gegenseitiger Respekt zwischen Reiter und Pferde. Und dass Geduld und Freundlichkeit der beste Weg sind, um Ergebnisse zu erzielen. Ich glaube, diese Überzeugung, einhergehend mit meiner großen Empathie für Tiere, hat es mir möglich gemacht, eine solch lange Karriere in der Vielseitigkeit zu haben. Ich bin von mir selbst enttäuscht, dass ich diesen Prinzipien hier nicht entsprochen habe.“ Für die Nachgeborenen sei’s gesagt: Mark Todd war mit seinem Pferd Charisma 1984 in Los Angeles und 1988 in Seoul Olympiasieger, 2012 gewann er in London Bronze mit dem neuseeländischen Team – um nur die größten Erfolge zu nennen.
In den sogenannten sozialen Medien gibt’s jetzt einen Shitstorm gegen Sir Mark. Den hat er sich verdient. Die britische Organisation der Buschreiter zeigt sich „enttäuscht von den Bildern“ und gewiss auch enttäuscht von Sir Mark. Die britische Organisation für Galopprennen prüft den Fall, denn Todd ist nicht nur Reitlehrer, sondern auch seit langen Jahren Trainer von Rennpferden. Die FEI schweigt, weil sie – ähnlich wie im Fall Ludger Beerbaum – keine sportrechtliche Handhabe besitzt bei Verstößen auf privatem Grund und Boden. Mark Tod hat seine Karriere bekanntlich vor drei Jahren beendet.
Was mir einmal mehr auffällt am Rande: Selbsternannte Expertinnen wie etwa Birgit von Bentzel aus dem Hause RTL gelten bei manchen Agenturen und Printredaktionen als ausgewiesene Fachkräfte bei der Beurteilung von Vergehen und Missständen im Pferdesport. Birgit von Benzel ist sich ganz sicher, dass Mark Todd eine Gerte verwendet hat, obwohl man im fraglichen Video genau sehen kann, wie er sich einen Ast vom Baum abbricht und damit wenig später auf den Schimmel eindrischt. Dessen Reiterin erklärt übrigens auf die Frage, weshalb sie bis jetzt zwei Jahre geschwiegen habe, dies: „Wenn Sie in dem Alter wären, in dem ich damals war, und selbstbewusst gegen einen Weltklasse-Athleten ohne Bedenken und ohne jede Unterstützung anreden, dann lasse ich Sie dafür hochleben, denn Sie sind tapferer als ich es war.“
Ob sich in England jemand findet, der Sir Mark anzeigt wegen Tierquälerei, bleibt abzuwarten. Hingegen bin ich mir (fast) sicher, dass sich die Leute von PETA alsbald zu Wort melden werden. Sie können zwar juristisch in England nichts ausrichten – aber einmal mehr bietet sich ihnen die Chance, die Charakterlosigkeit von Spitzenreitern anzuprangern. Die britische Gesellschaft für den Galopprennsport hat Sir Mark Todd, den seine Freunde „Toddy“ nennen, seine Trainerlizenz entzogen – zumindest mal solange, bis die näheren Umstände und Hintergründe seines Handelns geklärt sind.