In zwei Monaten blickt alle Reiterwelt nach Rom, genauer gesagt nach Pratoni del Vivaro. Das liegt einige Kilometer außerhalb der ewigen Stadt. Dort gab’s bei den Olympischen Spiele 1960 den berühmt-berüchtigten Geländeritt. 1998 war der nächste Geländeritt fällig bei den Weltreiterspielen. Pratoni ist also das, was man einen Traditionsort nennen könnte. Demnächst werde ich näher darauf eingehen – heute blicken wir auf die aktuelle Weltrangliste der Buschreiter. 

Zum Stichtag 30. Juni bleibt der Brite Oliver Townend mit klarem Vorsprung an der Spitze. Das neuseeländische Ehepaar Jonelle und Tim Price hat sich auf die Plätze zwei und drei verbessert. Michael Jung, nach wie vor bester deutscher Reiter, ist von zwei auf vier abgerutscht. Rosalind Canter, die noch  amtierende Weltmeisterin, liegt auf Platz fünf; noch immer ist uns, die wir in Aachen vor Ort waren, das Ende ihres WM-Siegers Allstar vor Augen. Keine schöne Erinnerung. Der 17-jährige Hengst sollte in der Soers seinen letzten internationalen Auftritt haben, so hat es mir Chris Bartle in Aachen gesagt. Es sollte ein guter Schluss werden am Ende einer Weltkarriere – bitter für den Sport, dass daraus nichts geworden ist.

Apropos Chris Bartle. Der sympathische Engländer stellt auf der Weltrangliste auch die meisten Namen unter den führenden zehn: Laura Collett, Piggy March, Tom McEwen, Boyd Martin (USA) und Pippa Funnell. Ausdrücklich hinweisen möchte ich auf die Nummer zwölf, den US-Profi William Coleman. Der präsentierte in der Soers den zehnjährigen Holsteiner Chin Tonic HS von Chin Champ, gezüchtet von einer uns allen bekannten Buschreiterin: Inken Johannsen, inzwischen Gräfin Platen-Hallermund. In Aachen belegten beide Platz zehn nach Rang zwei in der Dressur. Ein tolles Pferd! Mit Off the Record, dem Aachen-Sieger von 2021, wurde Coleman sechster. Bei der WM wird man ihn auf der Rechnung haben müssen. Wetten, dass…?

Weiter auf der Weltrangliste. Felix Vogg, der Schweizer aus dem Süden von Baden-Württemberg, hat sich vom 27. auf den 14. Rang vorgearbeitet – Kompliment noch mal für seinen Fünf-Sterne-Sieg in Luhmühlen. In der Soers stürzte er mit Cartania beim Einreiten ins Stadion. Das sah nicht gut aus, war keine Werbung für die Buschreiterei. Wie ich schon geschrieben habe: Die letzten Meter im Stadion waren Rüdiger Schwarz und seinem Team diesmal leider zu schwer geraten. Klar, dem alten Haudegen Andrew Hoy konnte das nichts anhaben: Weiter Rang 18 auf der Weltrangliste. Chapeau!

Ingrid Klimke, die nach verpatzten Tagen in der Soers auf Platz 27 liegt und kaum noch Chancen besitzt, zur WM zu kommen, darf bei der WM auf einen Start in der Dressur hoffen, das wird nicht ganz leicht für sie werden. Julia Krajewski, die Aachen als Aufbaustart für die WM nutzte, war dort mit ihrer Mandy neunte – sie ist für Pratoni dl Vivaro zurecht erste Wahl. Sandra Auffarth, die Aachen gewann und dabei vom Missgeschick Michael Jung profitierte, liegt jetzt auf Rang 42 der Weltrangliste. Mehr deutsche Reiter finden sich nicht unter den besten fünfzig. Es dürften gerne ein paar mehr sein.

Der Blick auf die ersten einhundert: 69 Alina Dibowski, 72 Josephine Schnaufer, 82 Dirk Schrade, 86 Anna Siemer, 95 Sophie Leube, 99 Andreas Dibowski, 105 Andreas Ostholt und 111 Heike Jahncke. Da ist also noch recht viel Luft nach oben. Das Saisonziel ist allen klar: Bei der WM Mitte September geht’s darum, mindestens Rang fünf zu belegen mit dem Team, um die Qualifikation für die Spiele 2024 in Paris sogleich zu schaffen. Das brächte Ruhe und Selbstvertrauen in die Mannschaft. Rang fünf klingt einfach – ist es aber nicht. Und in Pratoni haben deutsche Buschreiter noch nie so richtig glänzen können. (Und ich bin, ehrlich gesagt, ein bissle abergläubisch!)