Im Mai 2019 hat Ian Millar seine offizielle Abschiedsrede gehalten: „Ich danke allen, die mir über diese vielen Jahre geholfen haben – Pflegern, Sponsoren, Tierärzten, Kollegen, Angestellten, Equipechefs, Pferdebesitzern, meiner Familie. Vor allem meiner Frau Lynn.“

Nach 39 Ehejahren war lynn Millar zu Beginn des Jahres 2008 an Krebs gestorben. Im Herbst 2008 gewann Ian Millar bei den olympischen Reiterspielen in Hongkong seine erste und einzige Olympische Medaille – es war die Silberne mit dem kanadischen Team. Und es waren Ian Millars zehnte olympische Spiele!

Damit steht der über einsneunzig große Springreiter aus Ontario an der Spitze einer legendären Rangliste: Kein anderer Sportsmann, keine andere Athletin, haben so oft an olympischen Spielen teilgenommen wie er – zehnmal, von München 1972 bis London 2012.

In dieser Woche, am 6. Januar 2022, feiert Ian Millar im kanadischen Perth seinen 75. Geburtstag. Tausende Glückwünsche aus aller Welt sind ihm sicher. Und er hat sie verdient. Aber Millar wäre nicht Millar, wenn er diesen Ehrentag einfach so hinnehmen und sich einmal mehr als dankbar erweisen würde. Nein, Ian Millar handelt quasi nach dem uralten Adenauer-Motto, das da lautet:

„Was geht mich mein Geschwätz von gestern an?!“

In einem Gespräch mit der in Hamburg erscheinenden „Welt am Sonntag“ (2. Januar) antwortet Ian Millar auf die Frage von Gunnar Meinhardt: „Qualifizierten Sie sich für Paris 2024, würden Sie nicht nur Ihren Teilnahmerekord ausbauen, sondern auch als ältester Sportler in die olympische Historie eingehen.“

Spontane Antwort von Ian Millar: „Die Krönung wäre, wenn wir in Paris als Familientrio antreten würden – außer mir noch meine Tochter Amy und mein Sohn Jonatah, die beide exzellent reiten.“ Und weiter:

„Wenn ich das richtige Pferd finde, um in drei Jahren bei den Spielen in Paris starten zu können, würde ich das liebend gerne tun. Und ich glaube, ich habe eines gefunden.“

Konkreter, was dieses Pferd angeht, wird Ian Millar im Interview leider nicht. Merkwürdig übrigens, dass er mehrmals von Olympia 2008 in Peking spricht, obwohl die Reiterspiele 2008 bekanntlich auf der Galopprennbahn von Sha Tin in Hongkong ausgetragen wurden. Ich sehe ihn noch vor mir, damals bei der Medaillenzeremonie: Ian Millar und Eric Lamaze, der später das Einzelgold gewann, sodann Mac Cone und Jill Henselwood.

Ian Millar wäre gerne auch 2016 in Rio angetreten, ließ aber seiner Tochter Amy den Vortritt; sein damaliges Toppferd war nicht topfit. Im Stechen um die olympische Bronzemedaille hatten die Kanadier übrigens das Nachsehen gegen Ludger Beerbaum und Co.

Der riesengroße Big Ben

Ende der achtziger Jahre habe ich den schon damals legendären „Captain Canada“, wie seine Landsleute ihn nennen, zum ersten Mal live erlebt. 1989, im historisch bedeutsamen Jahr der Wende, kam er mit seinem riesengroßen Big Ben, einem belgischen Wallach, den ihm Emile Hendrix vermittelt hatte, zum fünften German Masters in die Stuttgarter Schleyerhalle.

Das Pferd, Stockmaß einsachtzig, wurde, weil ihm das Fliegen nicht behagte und er Beruhigungsmittel brauchte, stets zwei Wochen vor den Turnieren nach Europa eingeflogen. Ian Millar gewann mit ihm auf Anhieb den Großen Preis von Stuttgart – nur ein starker Erfolg von so unendlich vielen, die in den Annalen stehen. Dazu nur wenige Stichpunkte: Gold bei den Panamerikanischen Spielen, Sieg in den Weltcupfinals 1988 und 1989. Dazu ungezählte Große Preise, fast 150 Einsätze in Nationenpreisen für Kanada seit seinem Debüt 1971!

Am Dreikönigstag, 6. Januar, feiert Ian Millar seinen 75. Geburtstag. Wer ihm gratulieren und dazu beitragen möchte, dass die Mailbox überquillt, dem empfehle ich hier seine Webseite www.millarbrookefarm.com.