Wer auch nur ein wenig weiß von unserem Sport mit den Pferden, der kann heute nicht wirklich erstaunt oder gar überrascht sein: Zwei Wochen nach dem Ende dieser glanzvollen olympischen Reitwettkämpfe kommt aus dem bayerischen Aubenhausen eine sachlich Nachricht, verziert mit einigem Pathos. Fakt ist: Jessica von Bredow Werndl hat für ihre 17-jährige Trakehnerin Dalera das Ende ihrer unvergleichlichen Sportkarriere bekannt gegeben. Kein Turnier mehr! Nur noch ein Auftritt beim Trakehner Hengstmarkt im November im holsteinischen Neumünster. Und noch ein Auftritt beim Weltcupfinale in Basel im Januar. Es soll eine Hommage sein an Daleras Schweizer Besitzerin Beatrice Bürchler-Keller. Danach soll die Stute in die Zucht gehen. Das ist der Plan.

Ohne Jessica von Bredow-Werndl allzu nahe zu treten – während der Spiele von Versailles, dem Höhepunkt und Abschluss dieser Weltkarriere auf dem Dressurviereck, mochte sich die 38-Jährige nicht mit dem Ende der Sportlaufbahn beschäftigen. „Ich hätte“, so gestand Jessica hernach, „während des letzten Rittes nur noch geheult.“ Und obschon sie durchaus nah am Wasser gebaut hat – sie wollte zurecht nicht, dass ihre Versuche, die olympischen Goldmedaillen Nummer drei und Nummer vier zu gewinnen, in einem Meer von Tränen und Emotionen untergehen. Jessica, täuschen wir uns nicht, ist trotz aller Nähe zur Welt der Influencer ein Profi durch und durch. Mit Pathos und Emotionen allein wird man nicht Olympiasieger.

Kleine Rückblende: Im Jahr 2009 ist die Schweizerin Beatrice Bürchler-Keller zum ersten Male ins bayerische Aubenhausen gekommen. Die heute 82-Jährige, aus einer wohlhabenden Schweizer Familie stammend, war internationale Richterin gewesen, hatte 2004 bei Olympia in Athen gerichtet. Sie suchte seinerzeit einen Ausbildungsstall für ihre Pferde. Und sie hatte dabei offenkundig völlig klare Vorstellungen: die klassische Skala der Ausbildung, die schier unendliche Geduld mit den jungen Pferden, alles ohne Schlaufzügel und sonstige mechanische Hilfs- und Martermittel. Nein, an erster Stelle immer wieder: Das Vertrauen zwischen Besitzerin und Reiterin! Zwischen Reiterin und Pferd. Kein Erfolgsdruck, der in einer Sackgasse endet. Keine Siege um jeden Preis.

Wer im Laufe dieser Jahre, von 2009 bis heute, den gemeinsamen Weg von Jessica von Bredow-Werndl und ihrer Freundin Beatrice Bürchler-Keller verfolgt hat, zumeist aus der Sichtweise des Beobachters, dem konnte die Grundlage des gemeinsamen Erfolges nicht verborgen bleiben. Zwei Fachfrauen auf Augenhöhe! Ein perfektes Management während und nach einer Saison. Eine Stute von erstaunlicher Leistungsbereitschaft. Kein Piaffenautomat! Nein, durchaus auch immer wieder die Gefahr, Patzer zu produzieren – selbst in den letzten Auftritten dieser gemeinsamen Weltkarriere.

Jessica von Bredow-Werndl hat ihre Stute in Topform nach Versailles gebracht. Sie hat sie dort mit Mut zum Risiko präsentiert und nicht etwa mit der Handbremse. Sie hat die Gunst der Ausgangslage für sich genutzt – wohl wissend, dass es knapper als knapp werden würde. Nochmal Chapeau!

Versailles ist Geschichte. Und auch Dalera ist Vergangenheit. Also geht unser Blick in diesen Tagen klugerweise auch nach vorn: 2025 gibt’s die nächste EM, 2026 die nächste WM in der Soers. Und 2028 die nächsten Spiele in Los Angeles. Jessica besitzt kein gleichwertiges Pferd für die ganz große Tour. Es wäre ja auch ein Wunder. Isabell Werth und Wendy bilden aktuell die Nummer eins im deutschen Quartett. Frederic Wandres hat bei Olympia überzeugt, ist die Nummer zwei im Team. Danach scheint mir alles offen. Zeit, sich auf den olympischen Lorbeeren auszuruhen, hat jedenfalls niemand.

Hoffentlich bleibt Monica Theodorescu als Bundestrainerin an Bord. Das ist für meine Begriffe die Voraussetzung dafür, dass es kontinuierlich weitergehen kann. Wie sich der internationale Dressursport in der nahen Zukunft neu sortiert, das bleibt spannend – Prognosen sollte man sich aktuell verkneifen. Alsbald beginnt der Weltcup in den Hallen. Großes Finale im neuen Jahr in Basel. Die Karten werden neu gemischt. Und wir erinnern uns gerne an Dalera, die Ikone der Trakehnerzucht.