Daniel Deußers Chef Stephan Conter wird am 23. Februar mit folgenden Sätzen zitiert: „Wenn man den Rolex Grand Slam gewinnt, geht das über den reinen Sport hinaus und man hat etwas erreicht, von dem Menschen noch viele Generationen erzählen werden. Im Moment glaube ich wirklich, dass Daniel kurz davorsteht, dass er also der Nächste sein wird, dem das gelingt.“ Stephan Conter ist ein Prophet: Im Sattel seines Hengstes Scuderia 1918 Tobago Z gewinnt Daniel Deußer den Rolex Grand Prix von Herzogenbosch. Das bringt ihm und seinem Team von den Stephex Stables die Siegprämie von 231 000 Euro sowie einen Extrabonus aus den Grand-Slam-Regeln über 250 000 Euro. Chapeau!
Als das Stechen geritten war und sich Daniel Deußer bei der durchaus anrührenden Siegerehrung im Namen aller Aktiven beim Veranstalter, bei den Sponsoren, bei allen Helfern und seinem eigenen Team mit Stephan Conter an der Spitze bedankt hatte, sagte er vor der Presse: „Ich war heute zuversichtlich, denn mein Hengst ging in den vergangenen Wochen in sehr guter Form. Ich hatte ihn absichtlich nicht mit nach Wellington genommen, um ihn hier frisch an den Start dieses wichtigen Springens zu bringen. Natürlich kommt es immer auf den Tag selbst an: Im ersten Umlauf ist er sehr gut gesprungen, fühlte sich wirklich gut an. Für das Stechen hatte ich mir meine Linie genau überlegt. Alles lief nach Plan. Ich bin überglücklich.“
Für alle diejenigen, die nicht jeden Großen Preis, nicht jedes Resultat und nicht jeden Satz, der hernach gesprochen wird, im Gedächtnis haben, hier ein paar wichtige Stichworte: Der Rolex Grand Slam – entliehen aus dem Grand Slam der Tennisspieler*innen – umfasst die Turnier in Aachen, Spruce Maddows/Calgary, Genf und Herzogenbosch in den Niederlanden. Sollte es einem Reiter gelingen, alle vier Großen Preise zu gewinnen, gibt’s eine Extraprämie von einer Million Euro.
Daniel Deußer hat mit seinem Sieg von gestern zumindest schon mal eine Extraprämie über 250 000 Euro kassiert. Wir alle erinnern uns: Mit seinem 14-jährigen Hengst siegte er im letzten September 2021 beim Großen Preis von Aachen in der Soers – allein schon damit hat er sich ins Geschichtsbuch der Reiterei eingeschrieben, quasi unsterblich gemacht. Wichtig zu wissen: Gestern, in den Brabant-Hallen, waren auch zwei weitere Anwärter auf den Extrabonus am Start: Steve Guerdat, der Sieger von Calgary, sowie sein eidgenössischer Landsmann Martin Fuchs, der Sieger von Genf 2021. Beide hatten jedoch mit dem Ausgang des Springens im Stechen nichts zu tun.
Im Stechen selbst demonstrierte Daniel Deußer einmal mehr perfektes Springreiten: Stets nach vorne reitend, quasi zentimetergenau auf der Ideallinie, stets harmonisch in einem Rhytmus mit dem Pferd, dazu souverän und nervenstark – die letzte Linie auf den Schlussoxer zu mit Siegeswillen und keinerlei Ruckeln oder Zuppeln. Der Beifall im ausverkauften Haus hätte bei einem Sieg der diesmal klar geschlagenen Niederländer nicht herzlicher sein können. In Herzogenbosch gab’s gestern wohl niemanden, der dem sympathischen Profi vom belgischen Stall Stephex den Sieg nicht gegönnt hätte.
Noch mal Stephan Conter: „Ich habe mich vor zehn Jahren dazu entschlossen, Pferde für Daniel zu kaufen. Ich wollte unbedingt an die Weltspitze dieses Sports. Also habe ich beschlossen, mir einen Spitzenreiter zu suchen – meine Entscheidung fiel auf Daniel. Dieser Entscheidung habe ich mich ganz und gar verschrieben und mich richtig reingekniet. Wenn man einmal damit anfängt, Grand Prixs zu gewinnen und man eine ernst zu nehmende Größe wird, bekommt das Ganze einen Suchtfaktor.“
In dem langen Gespräch vom 23. Februar mit der PR-Abteilung von Rolex erklärte Stephan Conter allerdings auch dies: „Ich sage normalerweise immer, jedes Pferd steht zum Verkauf. Wenn ein Pferd sehr gute Ergebnisse gebracht hat, steigt natürlich der Preis. Ich behalte nicht alle meine besten Pferde. Werfen wir zum Beispiel einen Blick auf die Olympischen Spiele in Tokio: Wir hatten dort sieben Pferde im Springreiten, von denen aktuell nur noch eines mir gehört. Das beweist die Qualität der Pferde, die wir verkaufen.“
Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Die Frage, ob Tobago Z verkäuflich sei, hat Stephan Conter niemand gestellt, zumindest nicht öffentlich. Der Hengst gehört, ausweislich der Ergebnisliste von Herzogenbosch, den Stephex Stables, Daniel Deußer und Jonas Bellemans. Dass die herausragenden Erfolge des Fuchses unter Daniel auch ein großer Erfolg für das belgische Gestüt Zangersheide bedeuten, möchte ich ausdrücklich erwähnen.
Zum guten Schluss ein Seitenblick mit Augenzwinkern: Der Schweizer Uhrenkonzern Rolex hat den Fans des internationalen Springsports gestern ein nobles Geschenk gemacht: Kostenfrei konnte man den Großen Preis in den Brabant-Hallen verfolgen, Siegerehrung eingeschlossen. Der aufstrebende Schweizer Brian Balsiger ließ es sich übrigens nicht nehmen, mit einer Schabracke einzureiten, auf der unschwer der Name Longines zu erkennen war. Ein Schelm, der Böses dabei denkt!