Die Damen und Herren sind abgetaucht: Klaus Schormann, der Präsident des deutschen und des Weltverbandes Moderner Fünfkampf, wird „in absehbarer Zeit keine Interviews mehr geben“.
Nur so viel hat er gegenüber der Deutschen Presseagentur (dpa) gestern erklärt:
„Das Reiten bleibt integraler Bestandteil des Fünfkampfes. Das Reiten ist die Würze des Fünfkampfes.“
Sodann beruft er sich einmal mehr auf Pierre de Coubertin, den Wiedergründer der Olympischen Spiele von 1896. Dieser französische Edelmann war ein Fünfkämpfer – was damals allerdings etwas völlig anderes war als heute.
Auch Annika Schleu, deren Fotos aus Tokio mit hysterisch-verheultem Gesicht um die Welt gingen, ist nicht zu sprechen, Gleiches gilt für ihre Bundestrainerin Kim Raisner. Der Deutsche Tierschutzbund hat Klage erhoben wegen Tierquälerei, das ist bekannt. Kim Raisner soll dazu Beihilfe geleistet haben. Die Ermittlungen laufen. Wie lange sie dauern werden und was am Ende dabei herauskommt, steht in den Sternen.
Meine geschätzte Leserschaft wird sich nicht wundern: Ich bleibe bei meiner Meinung, die ich bereits während der Spiele von Tokio mehrmals geäußert habe: Das Reiten hat im Fünfkampf nichts mehr zu suchen! Alle, die im Fünfkampf aktiv sind und/oder Verantwortung tragen – übrigens nicht nur in Deutschland – haben nach meiner Sicht auf die Dinge ihr Recht verwirkt, das Springreiten als Teil ihres Mehrkampfes auszutragen.
Denn was in Tokio leider untergegangen ist, weil der Focus nur auf den Deutschen lag, ist dies: Mehrere Aktive, Frauen und Männer, mussten den Parcours zu Fuß verlassen, weil sie vom Pferd gefallen waren, was logischerweise zum Ausschluss führt. Bei den allermeisten Aktiven ist das Reiten ihre mit Abstand schwächste Disziplin. Pferde, die solche Anti-Reiter problemlos über die Hindernisse tragen, womöglich noch zwei Nixkönner hintereinander – solche Pferde gibt’s nur ganz selten.
An dieser Stelle möchte ich noch einen anderen Gedanken in die so unerfreulich Debatte werfen: Wer mit Pferden zu tun hat, der weiß, dass der vermeintliche „Faustschlag“ der Trainerin Kim Raisner keine Tierquälerei war, sondern ein Reflex der Verzweiflung – das Pferd hat den Buff zwar gesehen, aber nicht gespürt. Auch der verzweifelte Gebrauch von Sporen und Gerte durch Annika Schleu sah zwar spektakulär aus für die Laien – eine kritische Wirkung im körperlichen Sinne hatte das aber nicht, wohl aber im psychischen.
Sagen wir es drastisch: Das reiterliche Handwerkszeug von Annika Schleu reichte (Gottlob!) gar nicht aus, um ihr zugelostes Pferd tatsächlich körperlich zu traktieren. Und dass Kim Raisner als Bundestrainerin nichts anderes einfiel, als „Hau feste drauf!“ zu rufen, beweist, dass diese Frau vom Reiten nicht den Hauch einer Ahnung besitzt.
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Hier geht’s nicht darum, diese beiden Frauen zu exkulpieren – ganz im Gegenteil! Für mich besteht die eigentliche Tierquälerei in diesem Fall aus folgenden Fakten: Der Verband der Fünfkämpfer hat es gegenüber seinen Aktiven wiederholt abgelehnt, einen Reittrainer mit zu den olympischen Spielen zu schicken! Die Aktiven wussten genau, dass in Tokio mit Hindernissen bis zu 1,20 Meter Höhe eine Aufgabe auf sie wartet, die sie daheim im Training noch nie geübt hatten – mangels geeigneter Pferde!
Man stelle sich das noch einmal vor: Sportler reisen zu olympischen Spielen, wohl wissend, dass sie dort eine Aufgabe gestellt bekommen, die sie daheim noch nie geübt haben! Erschwerend kommt hinzu: Seit gut einem Jahrzehnt besteht im deutschen Fünfkampf ein Klüngel, der sich stets vor Olympia die Startplätze zuschanzt.
Das Allerwichtigste aus meiner Sicht: Die eigentliche und damit verwerfliche Tierquälerei steckt in den Köpfen der Aktiven und ihrer Funktionäre! Es ist ihr zynisches und gleichgültiges Herangehen an die Disziplin Reiten! Für sie ist der Umgang mit den Pferden daheim wie im Wettkampf eine für sie äußerst lästige Pflicht! Alle wissen seit Jahren, dass es die ihnen fremden Pferde sind, die ihnen den Weg zu olympischen Triumpfen verwehren, ja alle ihre durchaus aufwendige Trainingsarbeit in den anderen vier Disziplinen zunichtemachen.
Würden sie ihre zynische Einstellung ändern, sich mit Vernunft, Selbstkritik und Passion der Reiterei widmen, wären die Resultate gewiss besser – nicht von heute auf morgen, aber doch mittel- und langfristig. Und noch etwas aus meiner Sicht: Gerade im Fünfkampf muss es – allein schon im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris – einen Generationswechsel geben.
Junge Frauen und Männer müssen die Chance bekommen, in die internationale Szene hineinzuwachsen – auf der Grundlage professioneller Trainingsarbeit im Sattel! Noch einmal ein solches Desaster im Parcours darf es nicht geben!
Gretchenfrage am Schluss: Glaubt wirklich jemand, dass die Fünfkämpfer und ihre Funktionäre zu einer solchen grundlegenden Wende im Denken und Handeln fähig sind? Meine persönliche Antwort lautet: Ich glaube das nicht – bis zum Beweis des Gegenteils!