Manche Medien sehen sich nur allzu gerne als Propheten. Hier das aktuelle Beispiel aus Leipzig: „McLain Ward vor dem Gewinn seines zweiten Weltcupfinals!“ Nur soviel stimmt daran: Der coole US-Profi liegt nach drei von fünf Parcours mit null Strafpunkten an der Spitze des Feldes. Harrie Smolders aus den Niederlanden liegt einen Abwurf zurück, Harry Charles aus Großbritannien und der Eidgenosse Martin Fuchs folgen mit jeweils nur fünf Strafpunkten.

Sollte McLain Ward am Ende den begehrten Pokal gewinnen, wäre es im 42. Finale seit 1979 der 12. Sieg eines US-Reiters. Deutsche Reiter haben übrigens zehnmal gewonnen – leider sind sie morgen chancenlos, es sei denn der Heilige St. Georg, Schutzpatron der Reiter, verhilft Gerrit Nieberg, der Fünfter ist mit 6 Punkten zu einem unvergesslichen Nachmittag. Nach seinem elften Rang in der zweiten Runde gab Gerrit dies zu Protokoll: „Mein Vater ist mit mir und meinem Pferd heute zufrieden. Das ist für mich auch sehr wichtig. Leider hatten wir einen unglücklichen Fehler. Der Plan für Sonntag ist ganz einfach: Doppel-Null. Ich freue mich sehr auf das Finale.“

An dieser Stelle blicken wird mal etwas genauer auf die ewige Siegerliste des Weltcupfinales der Springreiter. Bei seiner Premiere 1979 im Scandinavium von Göteborg begeisterte Hugo Simon mit seinem Fuchs Gladstone die Massen. Er siegte vor den US-Profis Katie Monahan und Norman Dello Joio. Von Stund‘ an trug Hugo den Ehrentitel „fighting Hugo“, etwas frei übersetzt „Hugo der Kämpfer!“. 1996 und 1997 siegte Hugo übrigens noch zweimal, damals auf dem magischen Fuchs mit den Initialen „E.T.“

Die achtziger Jahre, in denen das Final alle zwei Jahre in Göteborg ausgetragen wurde, weil dort der Hauptsponsor Volvo saß, dominierten die US-Reiter: 1980 Conrad Homfeld, 1981 Michael Matz, 1982 Melanie Smith, 1983 Norman Dello Joio, 1985 wieder Conrad Homfeld auf dem charismatischen Schimmel Abdullah, 1986 Leslie Burr Lenehan, 1987 Katharine Burdsall. Danach riss die Siegesserie, erst 2012 konnte Rich Fellers an die große Zeit  anknüpfen, 2013 siegte Beezie Madden, 2017 McLain Ward und 2018 in Paris wieder Bezzie Madden. Wenn ich es recht sehe, lässt Beezie Madden, für mich der Inbegriff eines schnörkellosen Profis im Sattel, ihre tolle Karriere ausklingen.

Was unsere deutschen Profis anbetrifft, so beginnt ihre Reihe von zehn Cupsiegen 1993 mit Ludger Beerbaum mit Ratina Z in Göteborg. 2002 folgte Otto Becker auf Cento in Leipzig, 2003 siegte Marcus Ehning in Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias. 2005 gewann Meredith Michaels-Beerbaum mit Shutterfly in Las Vegas, Marcus Ehning siegte 2006 auf Sandro Boy. 2008 in Göteborg und 2009 wieder in Las Vegas zeigten Meredith und ihr Shutterfly unvergessene Siegesritte. 2011 hatte Christian Ahlmann in Leipzig auf Taloubet das bessere Ende für sich. Und 2014 glänzte Daniel Deusser mit Cornet d’Amour in der Messehalle von Lyon.

Ich halte Geritt Nieberg morgen ganz gewiss die Daumen – aber dass er am Ende triumphiert, das erwarte ich eher nicht. Bleiben wir Fans der deutschen Springreiter 24 Stunden vor dem 42. Finale also realistisch und hören wir noch einmal auf Otto Becker nach drei von insgesamt fünf Runden: „Wir waren heute leider nicht gut genug, aber daraus müssen sie lernen, wenn sie noch den nächsten Schritt machen wollen. Heute fehlte uns leider auch das nötige Quäntchen Glück. Ich bin froh, dass wir ein paar neue, jüngere Leute am Start haben, die sich hier beweisen können.“ Und schließlich der Blick auf morgen: „Am Sonntag sind nochmal zwei schwere Runden, da wird noch viel passieren, aber um aufs Treppchen zu kommen, das wird schon schwierig werden.“

Die Ausgangslage für das morgige Finale verspricht also doch viel Spannung, ich schätze, dass die führende sechs den Sieg unter sich ausmachen: McLain Ward, Harrie Smolders, Harry Charles, Martin Fuchs, Gerrit Nieberg, Gergory Cottard, Conor Swail und Max Kühner. Gleichwohl, wer unseren Sport mit den Pferden kennt, der weiß, dass das Glück zu Pferd ein ums andere Mal eine launige Diva ist!