Die Schweizer Springreiter und ihr Equipenchef Michael Sorg haben beschlossen, ihr bis dato noch fehlendes Ticket zur Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris bei der Europameisterschaft 2023 in Mailand holen zu wollen. Die ebenfalls mögliche, aber komplizierte Qualifikation via Einzelreiter habe man verworfen. Das erklärte Martin Fuchs am Dienstag bei einer Pressekonferenz im Vorfeld des 36. German Master in der Stuttgarter Schleyerhalle.
Ich treffe Martin Fuchs eine halbe Stunde vor der PK zufällig im Bistro des noblen Feinkostgeschäftes Böhm am Kleinen Schlossplatz. Der 30-Jährige ist mit dem Auto in die schwäbische Metropole gekommen, trinkt Kaffee und kaut Knabberzeug, telefoniert mit seiner Mutter Renata, um ihr mitzuteilen, dass er fürs Abendessen allerhand feine Sachen „vom Böhm“, wie wir Stuttgarter sagen, mit nach Hause bringen werde. Der Mann ist ein sympathischer Pragmatiker, was sich wenig später auch vor der schwäbischen Sportpresse zeigt: neugierig, heiter, weltgewandt, ehrgeizig, nachdenklich.
Nach drei Jahren Corona-Pause geht’s in der traditionsreichen Hanns-Martin-Schleyer-Halle vom 9. bis 13. November endlich mal wieder um den Pferdesport auf Weltcupniveau. Drei Eidgenossen wollen am Cannstatter Wasen Punkte sammeln; Steve Guerdat ist in Oslo und Helsinki leider ohne Punkte geblieben. Sein Freund Martin Fuchs ist als Finalsieger von Leipzig 2022 bereits qualifiziert für das Finale 2023 in Omaha/Nebrasca. In Stuttgart wird, Stand heute, auch Edouard Schmitz mit von der Partie sein.
Martin Fuchs sagt: „Ich komme sehr gerne zum German Master, habe 2019 das Mastersfinale gewonnen auf Tam Tam du Valon. Das ist für mich einer meiner schönsten Erfolge. Mir gefällt die Atmosphäre in der Schleyerhalle sehr, die Zuschauer sind sehr sachkundig und begeisterungsfähig. Beim German Masters geht es für uns nicht zuletzt ums Prestige. Ob Mastersfinale oder Weltcupspringen – beide Wettbewerbe haben für uns einen sehr hohen Stellenwert. Ich werde drei Pferde mit nach Stuttgart bringen, darunter Leone Jei für den Weltcup.“
Seit Jahren reitet Martin Fuchs an der absoluten Weltspitze, war bis vor Kurzem noch die Nummer eins, ehe ihn Henrik von Eckermann, der neue Weltmeister, ablöste und auf Rang zwei verdrängte. Spontan sagt Martin Fuchs: „Henrik ist der Topfavorit – er hat einfach einen Lauf!“ Eckermann hat übrigens auch für Stuttgart zugesagt. Der 41-Jährige ist Mannschafts-Olympiasieger von Tokio, Einzel und Teamweltmeister von Herning. Aber auch Fuchs‘ Erfolgsliste liest sich stark: Europameister 2019 in Rotterdam, Vizeuropameister und Teameuropameister 2021 in Riesenbeck, Vizeweltmeister 2018 in Tryon, um nur das wichtigste zu nennen.
Blickt man auf den Turnierplan des besten Schweizer Springreiters der letzten Jahre, so fragt man sich unwillkürlich, wie er das alles stemmen will: den Weltcup mit Finale in den USA, die Starts bei der Global-Champions-Tour, wo der vergangenes Wochenende beim Finale 2022 in Riad mit den „Shanghai Swans“ 450 000 Euro Preisgeld gewonnen hat. Nicht zu vergessen die vier Turniere um den Rolex-Grand-Slam und natürlich die EM im Spätsommer 2023 in Mailand sowie das Nationscupfinale im September in Barcelona.
Martin Fuchs sagt selbstkritisch: „In Barcelona hätten zwei Teams, nämlich die Belgier und wir, das Ticket nach Paris 2024 holen können. Leider habe ich im entscheidenden Umlauf einen Abwurf zu viel gehabt – die Belgier haben verdient gewonnen. Jetzt müssen wir schauen, dass wir bei der EM in Mailand, wo drei Tickets vergeben werden, oder beim Final in Barcelona, wo es das letzte Ticket gibt, die Sache klar zu machen.“ Hat er lange gebraucht, um die knappe Niederlage in Barcelona wegzustecken, so frage ich ihn: „Das war sehr ärgerlich für uns. Ich brauche zwei bis drei Stunden, um so etwas zu verdauen. Aber dann versuche ich, nach vorne zu blicken, um die Dinge in Zukunft besser zu machen. Ich habe schließlich eine Reihe von tollen Pferdebesitzern, die mich seit Jahren so unglaublich gut unterstützen. Ich habe fünf Pferde für den Topsport zur Verfügung.“
Schaut man auf Martin Fuchs‘ aktuellen Beritt, so fällt auf, dass keiner seiner Besitzer ein Pferdehändler ist.“ Meine Frage: „Haben Sie noch nie für einen Pferdehändler geritten?“ Der Mann lächelt sein sympathisches Lächeln und antwortet: „Nein, noch nie für einen Pferdehändler – aber eigentlich doch: Ich bin ein Pferdehändler! Wir verkaufen Pferde, vor allem nach Amerika.“ Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass Mutter Fuchs die kulinarischen Mitbringsel vom Feinkost Böhm am Schlossplatz in Stuttgart geschmeckt haben. Grüße und Chapeau!