Zwei Jahre vor den olympischen Spielen in der französischen Hauptstadt kommen von dort deutliche Worte an die Adresse des Weltverbandes der Reiter (FEI), aber auch an die Adresse aller, die in der internationalen Reiterei aktiv sind – an welcher Stelle auch immer. FAZ und St. Georg haben jetzt als erste darüber berichtet. Eine Arbeitsgruppe der französischen Nationalversammlung hat sich intensiv mit den Problemen der Reitwettbewerbe in Tokio befasst – sie spricht fast fünfzig Empfehlungen aus. Es geht dabei um die Dreier-Regeln in den Teamwettbewerben, um die Zäumung der Spring- und Dressurpferde, um den Einsatz der Gerten, nicht zuletzt um den Modernen Fünfkampf.

Von der Öffentlichkeit kaum bemerkt, hat die parlamentarische Arbeitsgruppe in Paris die teilweise schlechten Bilder bei den Reitwettkämpfen in Tokio unter die kritische Lupe genommen, dazu namhafte Fachleute aller Ebenen befragt und angehört. Ihr politisches Ziel: Die Wettbewerbe der Reiter in Paris 2024 sollen, so wörtlich: „Spiele des Pferdewohls“ werden. Obschon beispielsweise der Moderne Fünfkampf in Paris zum letzten Male mit der Disziplin Springreiten stattfinden sollen, fordern die Parlamentarier noch klare Änderungen der Regeln: Die Hindernisse weniger hoch als zuletzt bis zu 1,10 Meter, dazu eine längere Vorbereitungszeit des einzelnen auf das ihm/ihr zugeloste Pferd. Meine Meinung: Mir ist schleierhaft, wie das organisatorisch gehen soll. Und wenn es Aktive gibt, die so schlecht reiten wie Annika Schleu, hilft ihnen auch eine längere Vorbereitungszeit nichts. Ich bleibe dabei: Der Moderne Fünfkampf hätte die Chance, 2024 nochmal Springsport zu machen, nie und nimmer bekommen dürfen!

Nach den Erfahrungen in Tokio empfiehlt die französische Arbeitsgruppe mit Nachdruck, die Dreier-Regeln aus den Teamwettkämpfen wieder in die altbewährte Vierer-Regel zu ändern. Man gibt dem Schweizer Steve Guerdat völlig recht, der bekanntlich die Abschaffung des sogenannten Streichresultats scharf kritisiert hatte. Sein Appell wurde von der FEI nicht ernsthaft aufgegriffen – man verwies in Lausanne auch jetzt wieder auf die vermeintliche Forderung des IOC nach „more flags“, also mehr Nationen in den Wettkämpfen, ohne jedoch die Zahl der Teilnehmer und damit die Dauer der Prüfungen zu verlängern. Die Kritik der Arbeitsgruppe ist klipp und klar: In Tokio hätten einige Nationen nicht genug Aktive eingesetzt, die den Anforderungen der Springparcours gewachsen waren.

Auch die Tatsache, dass der Schimmel Kilkenny des Iren Cian O’Connor heftig aus den Nüstern blutete, die Jury jedoch den Ritt nicht abläutete, wird nun aus Paris kritisiert. Nicht zuletzt gilt die Kritik der Arbeitsgruppe dem Unfall des Schweizers Robin Godel, dessen Pferd Jet Set sich beim Einsprung in den Teich einen Beinbruch zuzog und eingeschläfert werden musste. Dem Vernehmen nach sind die näheren Umstände des Unfalls bis heute noch nicht geklärt.

Den Berichten aus Paris zufolge dreht sich die dort begonnene, kritische Debatte auch um Themen, die wir seit Jahren kennen: Das endgültige Verbot des Schlaufzügels, das Verbot zu eng verschnallter Nasenriemen, der Gebrauch von Gebissen und Zäumungen, bei denen manche Aktive vielerlei Phantasien entwickeln – es jedoch keine konkreten Regeln gibt, die dies nachhaltig eindämmen. Zuletzt sah man am Wochenende bei den Deutschen Meisterschaften in Balve einige Springpferde mit derlei gewagten Gebisskombinationen.

Die grundsolide dressurliche Ausbildung der jungen Springpferde lässt zu wünschen übrig, alle Trainer und Aktiven sind gefordert, mehr Zeit, Geduld und Mühe aufzuwenden. Das wohlfeile Argument, Zeit sei schließlich Geld und der Handel mit den Pferden fordere deren möglichst frühe Präsentation auf den Turnieren, darf in keinem Fall die Maxime sein. Kritisch sehe ich die in Paris erhobene Forderung nach mehr Kontrollen auf den heimischen Reitanlagen. Wohlgemerkt: Reiter, die in den Spitzenkadern stehen, müssen per Unterschrift garantieren, dass die Kontrolleure auch unangemeldet jederzeit Zutritt bekommen. Ob es aber „normale“ Reitschulen und Turnierställe erlauben müssen, von ihrem Hausrecht keinen Gebrauch zu machen, bedarf einer juristischen Expertise. An deren Ende müssen klare, jedermann verständliche Regeln stehen. Ich meine, das ist ein weites Feld.

Der St. Georg zitiert am Ende den FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach mit dem Satz: „Wir müssen gut begründen, was wir tun! Das haben noch nicht alle begriffen!“ Ob er damit auch Ludger Beerbaum gemeint hat, den der TV-Sender RTL wegen vermeintlichen Barrens an den Pranger gestellt hat, weiß ich nicht. Jedenfalls ist der Fall Beerbaum bis dato nicht geklärt. Beerbaum wehrte sich kürzlich erneut gegen die Vorwürfe. Ihm dauert, wenn ich es richtig sehe, die Klärung und Einordnung des Falles in Warendorf schon viel zu lange.

Alles in allem. Unser Weltverband, die FEI, will nun ihrerseits eine Arbeitsgruppe einsetzen, von der sie sich Ideen erhofft, wie das Image und die Akzeptanz des internationalen Sports mit den Pferden nachhaltig verbessert werden kann. Ich meine, die FEI muss zuallererst dem Votum der Aktiven weitaus mehr Gewicht geben, siehe Steve Guerdat. Auch die Fachausschüsse für Springen, Dressur und Vielseitigkeit müssen kritisch und vor allem selbstkritisch diskutieren und Forderungen formulieren. Die Rolle der Stewarts auf den Turnieren muss gestärkt werden; wer aus Angst vor den großen Namen klare Verstöße durchgehen lässt und beide Augen zudrückt, der hat in diesem „Job“ nichts zu suchen. Dass die Aktiven selbst für Image und Akzeptanz sorgen müssen, versteht sich von selbst. Die hässliche Parole, der Zweck heilige die Mittel, ist nicht länger akzeptabel. Und wenn’s, vornehmlich im Springsport, nur noch ums große Geld geht, sägt dieser schöne Sport an dem Ast, auf dem er sitzt.