Alle Amazonen dürfen aufatmen: Die FEI, unser umsichtiger Weltverband, hat die „Maternity Leave Rule“ von sechs Monaten Dauer auf drei Monate heruntergesetzt. Wer also schwanger wird und nicht alle seine hart erkämpften Punkte auf den Weltranglisten verlieren will, der bzw. die kann künftig früher in den Sport zurückkehren. Bei der FN in Warendorf klingt das allerdings verhalten: „Die Anpassung ist ein Schritt in die richtige Richtung“, so heißt es von dort.
Im FN-eigenen Pressedienst wird die aktuelle Faktenlage in drei Abschnitten dargestellt. Erster Abschnitt: „Die bisherige Regelung der FEI sah zwei Szenarien für die Mütter vor: Bei der ersten Variante melden sie keinen Mutterschaftsurlaub an, setzen also so lange aus, wie sie es für richtig halten und können auch nach Belieben wieder ins Turniergeschehen eingreifen. Allerdings verlieren sie in diesem Zeitraum ihre Weltranglistenpunkte, die entscheidend sind für die Einladung zu den internationalen Turnieren.“
Zweiter Abschnitt: „Bei der zweiten Variante geben Mütter einen Sperrzeitraum von bisher mindestens sechs Monaten an, in denen sie keine Turniere bestreiten wollen. In dieser Zeit behalten sie 50 Prozent ihrer Ranglistenpunkte der entsprechenden Monate.“
Dritter Abschnitt: „Die bisherige Mindestdauer für diesen Mutterschaftsurlaub betrug sechs, die Höchstdauer zwölf Monate für die Disziplinen Dressur, Springen und Fahren. Diese Mindestdauer wurde jetzt auf drei Monate herabgesetzt. Darüber hinaus haben die Reiterinnen jetzt auch die Möglichkeit, früher in den Sport zurückzukehren, als sie ursprünglich beantragt hatten. Dafür müssen sie allerdings entsprechende Kündigungsfristen einhalten.“
Der FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach beurteilt die neue Regelung so: „Die alte Regel passte nicht mehr zu den Bedürfnissen heutiger Spitzenathletinnen.Die Anpassung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir sind froh, dass sich unser Engagement in Teilen ausgezahlt hat. Unsere Wünsche nach hundertprozentiger Flexibilität für die Mütter wurde allerdings noch nicht erfüllt. Zudem enthält unser Vorschlag auch, dass die Pause nur international gelten sollte, aber national geritten werden darf. Dieser Punkt ist in der Neuerung nicht enthalten – er bleibt für uns aber wichtig. Wir werden deshalb dranbleiben und den Vorschlag im Frühjahr 2023 erneut platzieren.“
Beim Weltverband in Lausanne sieht man die aktuelle Lage so. Die Generalsekretärin Sabrina Ibanez erklärte: „Wir habe den Reiterinnen zugehört, die den Wunsch geäußert hatten, die Möglichkeit zu bekommen, früher als sechs Monate in den Wettkampf zurückzukehren. Der FEI-Vorstand ist sehr dafür, Athletinnen zu unterstützen, die die bestmögliche Balance zwischen Familienleben und ihrer Sportkarriere erreichen möchten. Die Rangordnungsregeln in allen FEI-Disziplinen sind lebendige Dokumente, und wir werden die Bestimmungen zu Mutterschaft und Krankenurlaub weiterhin überprüfen, um sicherzustellen, dass sie relevant und fair bleiben.“
Diese Übersetzung ins Deutsche klingt ein wenig holprig. Aber man versteht, was gemeint ist. Jessica von Bredow-Werndl und Janne Friederike Meyer-Zimmermann, die 2022 Kinder in die Welt gesetzt haben, mussten unter den alten Regeln leiden. Jessica sprach gar von einem „Berufsverbot“; ihr wurde der Start in Ludwigsburg kurzfristig verboten – gerade so, als hätte sie sich etwas zu Schulden kommen lassen. Jessica und Friederike haben ihre Kritik öffentlich gemacht und wesentlich dazu beigetragen, dass die FEI ihre veralteten Regeln recht rasch geändert hat.
Aber Sönke Lauterbach macht aus seinem Herzen zurecht keine Mördergrube: Die nächsten Schritte müssen folgen, die Liberalisierung der starren Regeln muss zügig weitergehen. Ich sage hier und heute: Es kann doch nicht sein, dass Reiterinnen krass benachteiligt werden, nur weil sie schwanger sind und Kinder bekommen. Eigentlich müsste man ihnen Bonuspunkte gutschreiben, denn gerade ihren Nachwuchs kann die Reiterei doch besonders gut gebrauchen. Da fällt mir spontan die alte Volksweisheit ein: Es kreißt der Berg und gebiert ein Mäuslein.