Hand auf Herz: Wer weiß schon, dass es seit 1986 den IDCR gibt, den „International Dressage Riders Club“, und dass Isabell Werth seit 2020 dessen Präsidentin ist? Dieser Tage rückt der Club erstmals ins Rampenlicht. Denn seine Führung und namhafte Mitglieder kritisieren das rüde Vorgehen von Charlotte Dujardin gegen ein ihr anvertrautes Reiter-und-Pferd-Paar auf das Schärfste. Auch Carl Hester, Entdecker und Förderer der zweifachen Olympiasiegerin, schließt sich der Kritik an, rückt offenkundig von seiner Musterschülerin ab.

Man verurteile den per Videosequenz bekannt gewordenen, rüden Peitscheneinsatz gegen das Pferd auf das Schärfste und unterstütze die von der FIE getroffenen Sanktionen gegen Charlotte Dujardin uneingeschränkt. Man nehme dabei zur Kenntnis, dass Dujardin ihr Handeln zutiefst bedaure. Der Vorstand des IDRC betone, dass das Wohl der Pferde stets an erster Stelle zu stehen habe. Und man fordere alle Mitglieder dazu auf, sich strikt an den Verhaltenskodex der FEI zu orientieren.

Unterzeichnet ist diese kritische Stellungnahme von der Präsidentin Isabell Werth, der Vizepräsidentin Kyra Kyrklund, dem Schatzmeister Michael Klimke, dem Generalsekretär Klaus Roeser sowie von den Aktiven Carl Hester, Beatriz Ferrer-Salat, Yvonne Losaos, Hans Peter Minderhoud, Victoria Max-Theurer und Catherine Haddad. Bis zum Abschluss der gegen Charlotte Dujardin laufenden Ermittlungen werde sich der IDRC nicht mehr zu diesem Fall äußern.

Meine erste Einschätzung: Es ist erfreulich, dass sich der internationale Club der Dressurreiter heute so eindeutig zum Fall Dujardin äußert. Bisher, so mein Eindruck, wirkt dieser Club zuvörderst im Stillen und Verborgenen. Das konnte man angesichts Videobeweise gegen Charlotte Dujardin nicht mehr länger durchhalten.

Eine kritische Stellungnahme des Clubs zur Causa Helgstrand und zur Causa Krüth gibt es bis dato allerdings nicht. Und zu den kritischen Fakten gehört aus meiner Sicht auch, dass Isabell Werth die Stute Wendy du Fontaine aus dem Stall Helgstrand übernommen hat und sich klar hinter Helgstrand gestellt hat, obwohl der dänische Olympiareiter selbst eingeräumt hatte, in seinem Stall seien Pferde in der Ausbildung misshandelt worden.

Helgstrand wurde bekanntlich durch die dänische FN zunächst auf zwei Jahre gesperrt. Er kann nicht in Paris antreten, seine Schülerin Carina Krüth ebenfalls nicht; sie wurde in den letzten Tagen vom dänischen Verband suspendiert, nachdem auch gegen sie Videosequenzen veröffentlicht  wurden, auf  denen die Misshandlung eines Pferdes offenkundig wird. Krüth war als Reservereiterin für Paris vorgesehen.

Was ich besonders bemerkenswert finde, ist die Unterzeichnung von Carl Hester. Der britische Berufsreiter, einer der erfolgreichsten seiner Zunft, hat Charlotte Dujardin entdeckt und zu olympischem Gold geführt. Auch Littie Fry gehört zu seinen Entdeckungen. Jetzt rückt er deutlich von Charlotte Dujardin ab, möchte nicht als derjenige dastehen oder verdächtig werden, der ihr diese rüden Methoden beigebracht oder gar empfohlen hat. Möglicherweise möchte Hester auch der Gefahr vorbeugen, ebenfalls im letzten Moment für die Spiele von Paris gesperrt zu werden.

Ist das das jähe Ende der großen Karriere von Charlotte Dujardin? Wird es womöglich kommende Woche in Paris eine Stellungnahme zu den Vorgängen von Charlotte „Littie“ Fry geben? Auch für die Angestellte des niederländischen Zucht- und Dressurstalles van Olst ist das keine leichte Situation.

Aber Verstecken gilt nicht! Alles muss raus und auf den Tisch, damit sich alle ihr eigenes Bild machen können. Wie auch immer: Charlotte Dujardin hat ihrem Sport schwer geschadet – Pferdefreunde und Fans auf der ganzen Welt sind zurecht schockiert.