Am kommenden Montag und Dienstag gibt’s in Dresden die Hauptversammlung der FN für 2024. Das alles beherrschende Thema steht jetzt schon fest: Die massive Finanzkrise unseres Reiterverbandes und die sofortige Freistellung von Rene Straten, dem Geschäftsführer für Finanzen und Personal. Die FN muss „einen drastischen Sparkurs fahren“, so FN-Präsident Hans-Joachim Erbel. Das Minus in der FN-Kasse beträgt für 2023 genau 976 000 Euro. Die Ursache dafür seien Planungsfehler und mangelnde Information.

Soviel ist jedenfalls schon sicher: Sollten unsere Spitzenreiter bei den Olympischen Spielen in Paris Medaillen gewinnen, ganz gleich in welcher Farbe – den traditionellen Championatsball in Warendorf, auf dem sie gefeiert werden könnten, wird es 2024 leider nicht geben: Das beliebte Event im Herbst ist dem Rotstift zum Opfer gefallen!

In einem Interview, das die FN-Pressestelle mit ihrem obersten Chef geführt hat, beschreibt Hans-Joachim Erbel die missliche Lage seines Verbandes so: „Wir hatten im vergangenen Mai die Finanzplanung verabschiedet. Umsatztechnisch hatten wir bis zum Jahresende mit 23,2 Millionen Euro gerechnet. Fast hätten wir eine Punktlandung hinbekommen, aber bei den Kosten gab es leider in zwei Positionen relevante Planungsfehler, die uns durchgegangen sind, sodass die Kosten zu niedrig angesetzt wurden. Auch in anderen Positionen gab es Abweichungen nach oben und unten. Am Ende gab es statt eines geplanten Minus von 450 000 Euro ein Defizit von 976 000 Euro.“

Auf die berechtigte Frage, weshalb man diese Finanzprobleme nicht viel früher erkannt habe, antwortete der Präsident: „Diese Frage treibt uns seit vorletzter Woche um. Die Antwort ist unbefriedigend, denn bei verantwortungsvollem Umgang und rechtzeitiger und richtiger Information durch den zuständigen Geschäftsführer hätte viel Schaden verhindert werden können. Ich betone hier: Es besteht keinen Verdacht auf Veruntreuung oder Ähnliches! Letztlich waren es Unstimmigkeiten bei der Planung, aber insbesondere die Verletzung der Informationspflicht, die zu einem erheblichen Vertrauensverlust und zur Freistellung des zuständigen Geschäftsführers geführt haben.“

Erbels selbstkritische Einschätzung: „Aber auch wenn die Verantwortung des Geschäftsführers außer Frage steht, müssen wir uns natürlich auch selbstkritisch fragen, wo wir selbst nicht hundertprozentig richtig geurteilt beziehungsweise kontrolliert haben. Dies hat viel mit Vertrauen zu tun und einem bis zu diesem Zeitpunkt untadeligen Verhalten unseres Geschäftsführers.“

Wie geht es jetzt weiter? Hans-Joachim Erbel: „Nach dem Bekanntwerden der Abweichungen im Jahresergebnis für 2023 haben wir die Planungen für 2024 noch einmal komplett überprüft und überarbeitet. Wir haben dabei festgestellt, dass sie fehlerhaft waren. Wir müssen uns für 2024 einen drastischen Sparkurs verpassen. Neben einem Einstellungsstopp und der Streichung von Bonuszahlungen haben wir auch Dinge wie etwa den Championatsball sowie andere Projekte und Veranstaltungen gestrichen. In einer konzertierten Aktion, in der alle FN-Abteilungen an einem Strang gezogen haben, wurden zusätzliche Einsparungen ausfindig gemacht. Das bedeutet, dass wir das Jahr 2024 mit einem positiven Ergebnis von 255 000 Euro abschließen können.“

Nächste Frage an den Präsidenten: „Was macht Sie so sicher, dass Sie diese Planungen einhalten können?“ Antwort: „Wir sind in hohem Maße von unseren Umsätzen im Turniersport abhängig. Geht es dem Turniersport gut, geht es auch uns gut! Aber auch unseren Landesverbänden. Nach Corona hat sich der Turniersport wieder positiv entwickelt und auf Vor-Corona-Niveau  stabilisiert. In den ersten vier Monaten 2024 bestätigt sich dieser Trend. Unser Problemkind bleibt die Kostenseite. Deren Einhaltung werden wir durch intensivere Kontrollen sowohl durch das Haupt- wie durch das Ehrenamt sicherstellen.“

Schließlich dies: „Wie gehen Sie mit der zu erwartenden Kritik um?“ Antwort: „Wir müssen an erster Stelle das Vertrauen unserer Mitglieder und Stakeholder zurückgewinnen. Wir müssen erst einmal die finanzielle Lage stabilisieren. Und dann brauchen wir so schnell wie möglich eine Nachfolge im Bereich der Finanzen, um den Krisenmodus verlassen zu können. Dann brauchen wir ein Instrumentarium, mit dem wir unseren Kontroll- und Planungsaufgaben besser gerecht werden können. Unser Programm zur Kostensenkung muss fortgesetzt werden. Zusammen mit den Sport- und Zuchtverbänden werden wir alle Projekte und Bereiche in Frage stellen und alles streichen müssen, was nicht genügend auf unsere Verbandsziele einzahlt.“

Hans-Joachim Erbes Schlusswort: „Jede konstruktive Kritik ist erwünscht und wird uns helfen, die Zukunft zu meistern. Natürlich erleben wir gerade auch, dass sich manche einfach nur über die Fehler des Verbandes freuen. Das hilft in der Sache nicht weiter, aber das müssen und werden wir aushalten.“

Ich sag‘ mal so: Ich arbeite seit mehr als einem halben Jahrhundert als Journalist rund um die Pferde hier in Deutschland. An eine tiefere Krise der FN kann ich mich nicht erinnern. Wenn es kommende Woche in Dresden um die ersten Schritte der Aufarbeitung geht, dann geht’s zugleich ums Eingemachte. Ob am Ende „nur“ der gefeuerte Geschäftsführer seinen Job verliert oder auch manch ein Ehrenamtlicher sein Ehrenamt, wird sich zeigen. Kann Hans-Joachim Erbel mit Verständnis und mit Schulterschluss rechnen – eine spannende, völlig offene Frage.

Und wer sind die Leidtragenden? Dass man den Championatsball gestrichen hat, ist unschön, lässt sich aber letztlich verschmerzen – diese Maßnahme soll allen im Land signalisieren, dass die Probleme in Warendorf wirklich ernst sind und dass die Führung gewillt ist, quasi jedes Steinchen umzudrehen, um Bares zu finden, das die Bilanz entlastet.

Leidtragende dieser Finanzkrise sind nicht zuletzt die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Zentrale in Warendorf: Keine Boni, keine Neueinstellungen, keine Gehaltserhöhungen. Und die Stimmung im Hause ist mies, um es noch höflich auszudrücken. Stehen eigentlich auch die Bundeschampionate auf der Kippe? Und was wird aus dem FN-Verlag? Wird die FN in dieser Lage weitere Mitarbeiter verlieren, die das Weite suchen und Jobs in ruhigerem Fahrwasser? Oder gibt’s gar betriebsbedingte Kündigungen?

In Dresen wird sich zeigen, wie die vielzitierten „Landesfürsten“ denken, also die Vorsitzenden der diversen Landesverbände. Dazu die starken Vorsitzenden der verschiedenen Zuchtverbände. Renommierte Einzelstimmen von Leuten mit großen Namen werden sich gewiss zu Wort melden. Das Scherbengericht ist unausweichlich.

Wo liegt der Ausweg aus der Misere? Ich glaube nicht, dass sich alsbald namhafte und wohlhabende Spenderinnen und Spender finden lassen, die der FN aus der Finanzkrise helfen. Also müssen Gebühren und Abgaben erhöht werden. Die Verantwortlichen in Warendorf müssen wohl oder übel den Karren alleine aus dem Dreck ziehen. Das kann Jahre dauern.