Die Finanzkrise bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung in Warendorf hat erste personelle Konsequenzen erbracht. Bei der heutigen außerordentlichen Sitzung des Verbandsrates wurde dem FN-Präsidenten Hans-Joachim Erbel und dem Finanzkurator Gerhard Ziegler die Entlastung verweigert. Beide erklärten daraufhin ihre Rücktritte! Auch Generalsekretär Sönke Lauterbach und dem gekündigten Rene Straten, Geschäftsführer für Personal und Finanzen, wurde die Entlastung verweigert! Der konsolidierte FN-Haushalt für das laufende Jahr 2024 wurde einstimmig gebilligt.

Erdbeben in Warendorf. Das hat es in der Geschichte des deutschen Reiterverbandes noch nie gegeben. Die vor Wochen bekannt gewordene Tatsache, dass die Finanzen unerwartet heftig ins Minus geraten sind, führte heute zu zwei überraschenden Rücktritten und Misstrauensvoten gegen den Generalsekretär Sönke Lauterbach und den von Lauterbach vor Monaten freigestellten Geschäftsführer Rene Straten.

Der Versuch der Verbandsspitze, mittels eines Gutachtens von Wirtschaftsprüfern und strikten Einschnitten in die Ausgabenseite, ihre Mandate zu sichern, ist fehlgeschlagen. Der Verbandsrat, maßgeblich bestimmt von den „Landesfürsten“, also den Präsidenten der Landesverbände, setzt offenkundig auf die Devise „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!“

In der offiziellen Pressemitteilung der FN, verschickt gegen 16 Uhr, heißt es wörtlich: „Ich wäre dem Verband gerne weiter vorgestanden. Doch jetzt ist das Buch für mich geschlossen. Ich trete mit Ende des heutigen Tages zurück.“ Das erklärte FN-Präsident Hans-Joachim Erbel. Der Stuttgarter Wirtschaftsprüfer Gerhard Ziegler, früherer Präsident des Pferdesportverbandes Baden-Württemberg und FN-Finanzkurator, schloss sich dieser Haltung an.

Vom Verbandsrat der FN entlastet wurden Dennis Peiler, der Geschäftsführer Sport, sowie Klaus Miesner, der Geschäftsführer Zucht. Ob der gekündigte Geschäftsführer Rene Straten seine Entlassung vor Gericht anfechten wird, steht noch nicht fest.

Zur näheren Erklärung heißt es in der Pressemitteilung der FN weiter: „Die außerordentliche Sitzung des Verbandsrates war notwendig geworden, weil im Rahmen der regulären FN-Jahrestagung in Dresden im Mai die Entlastung des Präsidiums und Vorstandes sowie die Genehmigung des Haushaltes für 2024 vertagt worden waren. Grund dafür war eine überraschend negative Entwicklung des Haushaltes, der erst kurz vor den Tagungen im Mai offenbar geworden war.

Danach fiel das für 2023 eingeplante Defizit doppelt so hoch aus wie ursprünglich geplant. Dies wirkte sich auch auf die Planungen für 2024 aus. Im Rahmen der Tagung in Dresden konnte daher nur ein mit heißer Nadel gestrickter Haushalt für 2024 vorgelegt werden. Die Abstimmung darüber wurde vertagt.

Stattdessen beschloss der Verbandsrat, zunächst einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer damit zu beauftragen, die finanzielle Situation der FN zu durchleuchten und insbesondere das Controlling unter die Lupe zu nehmen. Dabei sollte herausgefunden werden, ob das Controlling der FN bisher ausreichend praktiziert wurde und welche Schwächen die Kontrollmechanismen bisher hatte und wie diese optimiert werden können.

Ein solches Gutachten wurde der HLB Schumacher Wirtschaftsprüfer in Münster in Auftrag gegeben. Im Rahmen der heutigen, außerordentlichen Sitzung stellten die Wirtschaftsprüfer Michael Kaufmann und David Wippermann dem Verbandsrat ihre Erkenntnisse vor. Die wirtschaftliche Situation der FN bezeichneten sie als „angespannt, aber nicht gefährdet“. Es konnte weder eine Überschuldung, noch eine Zahlungsfähigkeit festgestellt werden.

Allerdings bleibe die finanzielle Lage der FN, auch wenn sie aktuell unter Kontrolle sei, für die Zukunft anspruchsvoll. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage werde stark durch die Abnahme an liquiden Mitteln getrieben. Die konsolidierte Haushaltsplanung stuften die Wirtschaftsprüfer als plausibel ein. Diese fand die Zustimmung des Verbandsrates.“

Mein erster Eindruck: Bis in die letzten Tage hinein, hatten die Verantwortlichen an der Spitze der FN versucht, mittels der Münsteraner Wirtschaftsprüfer neues Vertrauen herzustellen und vom Verbandsrat entlastet zu werden. Allerdings veröffentlichte das Reiterjournal Baden-Württemberg gestern wesentliche Zahlen und Fakten aus einem verbandsinternen Papier, das heute wohl Gegenstand der Beratungen in  Warendorf war.

Unter anderem geht daraus hervor, dass der jetzt gestrichene Championatsball jährlich rund 120 000 Euro gekostet hat, die Stensbeck-Feier für ausgezeichnete junge Pferdewirte rund 55 000 Euro. Überdies habe die FN-Spitze zur Abwendung bzw. Linderung der Finanzkrise 940 000 Euro an Aktienbesitz verkauft. Außerdem ist offenkundig, dass es bei der FN künftig keine Bonuszahlungen für die Mitarbeitenden mehr geben wird. Was aber genau dazu geführt hat, dem Präsidenten, dem Finanzkurator, dem Generalsekretär und dem gekündigten Finanzchef die Entlastung zu verweigern, wird wohl erst in den kommenden Tagen im Detail offenkundig werden.

In den letzten Tagen, auch am Rande des CHIO in Aachen, wurde mehrfach angedeutet, die Mehrheit des Verbandsrates wolle „lieber ein weiter so“ als Rücktritte und einen Neuanfang. Diese Einschätzung war offenbar falsch. Wie es nun genau weitergeht, ist zur Stunde noch unklar. Offen ist auch, ob FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach sein Amt fortführen kann.

Schließlich noch zur Erinnerung: In meinem ersten Blog zur Lage der FN hatte ich die Ansicht vertreten, dass man an der Freiherr-von-Langen-Straße in Warendorf einen personellen und verbandspolitischen Neuanfang brauche. Ich bin sehr gespannt darauf, wer in dieser kritischen Lage dazu bereit sein wird, das vakante Amt des FN-Präsident*in zu übernehmen. Auch für das neu einzuführende, professionelle Controlling muss die FN investieren und einen befähigten Finanzkurator finden.

Ob am Ende womöglich der frühere Dressurrichter, Equipchef der Dressurreiter und CEO des amerikanischen Landmaschinenherstellers ACCO/Fendt, Martin Richenhagen, seine Bereitschaft, die FN-Präsidentschaft vorübergehend zu übernehmen, erneuern wird, bleibt eine der spannenden Fragen dieser Tage. Nein, der Fall ist bereits geklärt: Im Gespräch mit dem Reiterjournal hat Richenhagen sein Interesse verneint. Er würde wahrscheinlich in den FN-Gremien keine Mehrheit finden.

Wenige Tage vor dem Beginn der Olympischen Spiele macht ausgerechnet der Verband der so erfolgreichen deutschen Reiter negative Schlagzeilen, die sein Ansehen beim Weltverband FEI sowie in der sportinteressierten Öffentlichkeit schwer belasten.