Audiatur et altera pars! Das ist Lateinisch und bedeutet soviel wie: „Auch die andere Seite muss gehört werden!“ Die Kolleginnen der im westfälischen Münster erscheinenden Reiter Revue haben dem vor Tagen gefeuerten Rene Straten, Geschäftsführer für Finanzen und Personal der FN, die Chance geboten, in einem umfangreichen Interview seine Sicht der Dinge darzulegen. Salten sagt, kurz zusammengefasst: Er habe immer wieder vor einer finanziellen Schieflage gewarnt, sei im Präsidium häufig überstimmt worden. Den Hinweis von FN-Präsident Hans-Joachim Erbel, es gebe „keinen Verdacht auf Veruntreuung oder Ähnliches“, wertet er „als Beleidigung“. 

2021 hat Rene Straten den FN-Bereich Finanzen und Personal übernommen. Am 8. April, so seine Angabe, habe er dem Generalsekretär Sönke Lauterbach seine Kündigung zum Jahresende 2024 überreicht. Vergangene Woche, am 23. April, reagierten FN-Präsident Erbel und Generalsekretär Lauterbach mit der fristlosen Kündigung.

Rene Straten betont, er sei schon seit eineinhalb Jahren mit der finanziellen Entwicklung bei der FN nicht mehr einverstanden gewesen. So habe er unter anderem bereits 2022 vorgeschlagen, den Championatsball aufzugeben, weil der eine sechsstellige Summe koste, die meisten Aktiven mit den großen Namen aber gar nicht kämen. Auch die hohen Kosten für die Bundeschampionate habe er stets kritisch gesehen.

Schließlich habe er sich dagegen ausgesprochen, „eine neue Leitungsstelle für den Bereich Kommunikation einzurichten“. Im Protokoll der fraglichen Sitzung habe es geheißen, die Abstimmung sei „einstimmig“ erfolgt. Er habe verlangt, das Protokoll zu ändern.

Rene Salten erklärt, dass der Unmut unter den Beschäftigten der FN in den vergangenen Jahren massiv gestiegen sei: „Die Bundeschampionate haben in den letzten Jahren ein hohes Defizit in den Haushalt gerissen. Wie soll man so etwas vor seinen Mitarbeitern rechtfertigen, wenn diese einem vorwerfen, am Personal zu sparen?“ Es habe „harsche Kritik“ von Seiten der Belegschaft gegeben, man schleudere an vielen Stellen Geld hinaus, spare aber beim Personal. Den Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst habe man bei der FN nicht in vollem Umfang auf die Mitarbeiter angewendet.

Im Blick auf die Jahresversammlung von FN und DOKR zum Wochenbeginn in Dresden sagt Rene Straten: „Machen wir uns nichts vor: Für die Verbandstagung in Dresden hat man mit mir nun jemanden, der das Schiff verlassen will und den man als Schuldigen präsentieren kann.“

Und weiter: „Die ganze Szene weiß, dass sich der Reitsport nicht auf das Vor-Corona-Niveau erholen wird. Dass alles besser wird, ist Wunschdenken. Beispiel: Die Herpes-Impfpflicht mag veterinärmedizinisch vertretbar sein, aber es war klar, dass die FN finanziell Schaden nehmen würde. Es ist ein Desaster, dass wir uns diese Tatsache immer wieder schöngeredet haben.“

Weitere Stichworte: Bei der FN, so Rene Straten, sei professionelles Controlling gar nicht möglich, weil die IT-Software völlig veraltet sei. In diesem Jahr 2024 wollte man eine neue Software anschaffen. Zitat: „In vielen Dingen war es ein Blindflug!“

Nach diesem Interview, das ich nur in wenigen Teilen wiedergeben und zitieren kann, sieht meine Zwischenbilanz, Stand heute, so aus: Offensichtlich hat die FN im Jahr 2021 ganz bewusst für die Bereiche Finanzen und Personal einen Profi eingestellt, der nicht aus der Reiterei kommt. Die Idee, jemanden von außen zu holen, der kritisch auf die Dinge schaut und keinerlei Verbindungen hat, etwa zum Sport, zur Zucht oder zum Handel, leuchtet mir durchaus ein.

Gleichwohl ist die Sache völlig schief gegangen, weil man – und das nehme ich Rene Straten ab – diesen Kritiker ein ums andere Mal ausgebremst und übergangen hat. Die FN hat, finanzpolitisch betrachtet, jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt und alle Warnungen in den Wind geschlagen. Den Unmut in der eigenen Belegschaft hat man einfach in Kauf genommen.

Sowohl der teure Championatsball wie auch die Bundeschampionate waren Aktivitäten für die Außenwirkung – die man sich eigentlich gar nicht leisten konnte. Folgerichtig gehört der Championatsball der Vergangenheit an, was aus den Bundeschampionaten wird, ist völlig offen.

Stand heute, so sehe ich das: Es wird höchstwahrscheinlich zwischen Rene Straten und der FN zu einem Prozess vor dem Arbeitsgericht kommen. Der kann ziemlich teuer werden für die FN. Denn die Kritik des gefeuerten Geschäftsführers wirkt in weiten Teilen durchaus schlüssig. (Dass ich zum Stichwort Herpes eine andere Ansicht habe als Rene Straten sei hier vermerkt. Immerhin weiß ich jetzt, dass es bei Streichung der Impfpflicht für die FN wohl in erster Linie ums Geld ging und nicht um den Schutz der Pferde. Das lässt tief blicken!)

Am Montag und Dienstag werden FN-Präsident Erbel und Generalsekretär Lauterbach in Dresden Rede und Antwort stehen müssen. Vermutlich wird Lauterbach den Finanzbericht erstatten. Er und „sein“ Präsident dürfen nicht damit rechnen, vom Auditorium entlastet zu werden, wie es normalerweise bei Jahresversammlungen üblich ist.

Ich würde mich übrigens nicht wundern, wenn aus dem Kreis der Delegierten für Sport und Zucht aus den Bundesländern auch die eine oder andere Stimme laut würde, die beide zum Rücktritt auffordert und damit zur Übernahme der Mitverantwortung. Machen wir uns nichts vor: Eine Finanzkrise kann sich sehr rasch auch zu einer Existenzkrise ausweiten.

Die Vorgänge in Warendorf haben schweren Schaden angerichtet: nicht nur für die Finanzen des Reiterverbandes, sondern auch für sein Ansehen! Es wird, da bin ich mir sicher, Jahre dauern, das verloren gegangene Vertrauen wieder herzustellen – übrigens auch gegenüber der eigenen Belegschaft.

Aus meiner Sicht stehen FN und DOKR – ausgerechnet in einem olympischen Jahr – mit dem Rücken zur Wand. Es wäre am besten, wenn es an der Freiherr-von-Langen-Straße in Warendorf einen Schnitt und einen Neubeginn gäbe: Personell und inhaltlich, finanziell und strategisch.