Die Staatsanwaltschaft Münster ermittelt in Sachen Finanzgebaren an der Freiherr-von-Langen-Straße in Warendorf. Für manchen Beobachter mag das fast schon einem Urteil gleichkommen. Aber das wäre doch heftig verfrüht. Zwei Schwergewichte des weltweiten Spitzensports, Isabell Werth und Ludger Beerbaum, habe sich in der Sportschau kritisch zu Wort gemeldet. Ihr Urteil hat sehr wohl Gewicht: Isabell formuliert die Sorge, das finanzielle Desaster könnte mittel und langfristig die Förderung des Nachwuchses ausbremsen, Ludger wiederum hegt den Verdacht, müsste man, um der Misere Einhalt zu gebieten, „die Decke lüften und alles komplett hinterfragen.“ Aktuell habe ich den Eindruck, die Krise könnte sich bis zur Wahl um den neuen Präsidenten im November noch gehörig aufschaukeln.
Klaus Roeser, der seit Jahren den Dressurausschuss erfolgreich führt, hat sich mit kritischen Anmerkungen neu in die Öffentlichkeit gewagt: „In einer schwierigen Lage muss man durchaus mal an das Tafelsilber.“ Damit meint er den Verkauf von Aktien im Wert von mehr als 900 000 Euro, um die Finanzlöcher zu stopfen. Die Frage aber sei, bis zu welcher Größenordnung? Man habe bei der FN, so sein zentrales Urteil, „dem Generalsekretär Sönke Lauterbach „blind, aber doch zumindest in einem sehr hohen Maße vertraut.“ Die fatale Entwicklung sei an den Gremien völlig vorbeigegangen.
Wer Isabell Werth kennt, der weiß, dass sie ihre internationalen Erfolge seit ihrem Debüt auf der europäischen Bühne bei der EM in Bad Mondorf 1989 vor allem einer Tugend zu verdanken hat: Immer und immer wieder junge Pferde ausbilden für den Topsport. Nicht nachlassen in dem Bemühen, den Anschluss an die Weltspitze zu halten. Bei Ludger Beerbaum ist es ähnlich, wenn auch, rein wirtschaftlich gesehen, in einem weitaus größeren, ja globalen Rahmen. Leuchtender Höhepunkt seiner hoch professionellen Arbeit ist der Olympiasieg von Christian Kukuk. Der spricht für sich.
Offen gesagt: Was ich vor einigen Wochen als möglich angedeutet habe, ist jetzt eingetreten. Die Entwicklung bei der FN in Richtung Wahl des künftigen Präsidenten gerät zu einer Hängepartie – genau das aber ist gefährlich. Hinter den Kulissen wird mächtig gezogen und gezerrt. Wäre das Verfahren zügiger abzuwickeln, bekäme man früher ein Ergebnis – und die Chance, einigermaßen Ruhe zu bekommen für den überfälligen Neustart, wäre deutlich größer.
Aus meiner Sicht ist es kein Geheimnis, dass sowohl Isabell Werth wie auch Ludger Beerbaum für Martin Richenhagen votieren würden, wenn sie denn eine Stimme im wahlentscheidenden Gremium hätten, dem FN-Bereich Sport. Bereits vor Jahren haben sich beide öffentlich für den früheren Topmanager der weltweiten Landmaschinenindustrie ausgesprochen. Der 72-Jährige hat, wie vielfach berichtet, in den vergangenen Tagen bei der Präsentation der drei Bewerber den stärksten Eindruck hinterlassen.
Nun, das hatte man von ihm auch durchaus erwarten dürfen. Seine Ambitionen auf das vakante Führungsamt sind hinlänglich bekannt. Allerdings, so heißt es aus den gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen, fürchteten manche seine unabhängige, harte Hand.
Dabei kursieren seit Tagen unterschiedliche Details in einem wichtigen Punkt: Der Kandidat, den der Bereich Sport im Oktober vorschlagen werden, brauche bei der Wahl eine Zwei-Drittel-Mehrheit und/oder eine 50-Prozent-Mehrheit. Ja was gilt denn nun? Rechtzeitig müssen die Warendorfer darüber Klarheit schaffen, damit alle wissen, wo sie dran sind.
Die Probleme der FN sind zu gewichtig, als dass man darüber scherzen oder etwa Wetten abschließen sollte. Aber in einem Punkt würde ich doch wetten: Die kommenden Wochen bis zur Wahl eines neuen Präsidenten bringen uns ganz gewiss noch manche Überraschung. Dabei haben alle, die es gut meinen mit der FN, keine Zeit zu verlieren im Kampf gegen die Probleme, denen sich nun auch die Staatsanwaltschaft in Münster widmen muss.