Kaum zu glauben, aber wahr: Der in Stuttgart ansässige Weltkonzern Mercedes-Benz ist seit 1954 (kein Witz!) Sponsor beim weltberühmten CHIO in der Aachener Soers. Während man die 1985 begründeten German Masters in der Schleyerhalle, also vor der eigenen Haustür der Konzernzentrale, als Hauptsponsor nach 2019 schmählich im Stich gelassen hat, melden die Aachener jetzt die Fortsetzung der Partnerschaft. Allerdings nicht genau: Auf wie viele Jahre? Antworten aus der Soers gibt’s leider nicht.  

Tobias Königs, der neue Pressechef des Traditionsturniers in der Soers, vermeldet dieser Tage: „Mercedes-Benz und der CHIO Aachen führen Partnerschaft fort“. Und Michael Mronz, der Geschäftsführer der Reitturnier GmbH,  wird so zitiert: „Eine lange Tradition, ein stetiger Innovationswille und das Streben nach Perfektion sind gemeinsame Werte, die Mercedes-Benz und der CHIOAachen teilen. 2024 feiern wir 100 Jahre Turniere in der Soers. Das ist eine lange Zeit, in der sich der CHIO und seine Infrastruktur, getragen von modernen Werten, stetig weiterentwickelt haben.“

Zitiert wird auch Jörg Heinermann, der Vorsitzende der Geschäftsleitung des Mercedes-Benz Cars Vertrieb Deutschland: „Diese Partnerschaft ist für unser Unternehmen etwas ganz Besonderes. Unser langjähriges Engagement zeigt deutlich, wie gut Mercedes-Benz und dieses internationale Spitzensport-Event zusammenpassen.“

Derlei noble Prädikate wird man bei der in.Stuttgart am Cannstatter Wasen mit gemischten Gefühlen  zur Kenntnis nehmen: Die Veranstalter des German Masters in der Schleyerhalle hatte man nach dem Turnier 2019, dem letzten vor der Pandemie, zwei Jahre lang im Unklaren gelassen – Ende 2021 teilte die Niederlassung in Stuttgart lapidar mit, dass man das renommierte Hallenturnier aus seinem  Sponsoring gestrichen habe.

Binnen zwölf Monaten konnte der Ausrichter in wirtschaftlich schwieriger Zeit keinen neuen Hauptsponsor finden. Um das 36. Turnier im vergangenen November ausrichten zu können, übrigens ein geglückter Neustart, musste die in.Stuttgart, eine stadteigene Beteiligungsgesellschaft, als Sponsor einspringen und einige hunderttausend Euro als Dotierung für das Masterspringen und das Weltcupspringen auf den Tisch blättern.

Jetzt zu den Fragezeichen: Im vergangenen Sommer erklärte mir der inzwischen ausgeschiedene, langjährige Pressesprecher des Aachener CHIO, Niels Knippertz: „Wir haben mit Mercedes-Benz einen Vertrag, zu dessen Inhalt geben wir keine Informationen.“ Auch sein Nachfolger Tobias Königs, gelernter Journalist und seit fünf Jahren im CHIO-Team tätig, äußert sich wortgleich. Was ich gerne wüsste: Gibt es in Aachen (wie auch in Stuttgart) mit den Hauptsponsoren immer nur Verträge über das folgende Jahr? Könnte also – wie in Stuttgart – auch in der Soers binnen Kurzem das Aus kommen? Was sich von außen nicht nachvollziehen lässt, ist diese Zentrale Frage: Wer hat bei Mercedes-Benz wirklich das Sagen? Weshalb lässt man Stuttgart im Stich und Aachen (gottlob) nicht?

Sicher ist: Aus der Stuttgarter Konzernzentrale hieß es vor längerer Zeit, man stelle jegliches Sportsponsoring auf den kritischen Prüfstand. Nicht zuletzt geht es dabei um den Fußball: Noch im alten Jahr wollte der Konzern Gespräche führen und entscheiden, ob man dem Bundesligisten VfB Stuttgart weiter finanziell unter die Arme greift. Die Entscheidung lässt auf sich warten.

Wohlgemerkt: Die Kicker vom Cannstatter Wasen, die übrigens im „Daimlerstadion“ spielen, bekommen pro Saison einige Millionen Euro – eine völlig andere Dimension als die Reiterei. Der VfB hängt nach wie vor im Tabellenkeller fest. In dieser Lage müsste der Konzern, würde er als Sponsor aussteigen, einen herben Imageschaden befürchten. Der „Tschio“, wie die Aachener so liebevoll sagen, ist vom hippologischen Tabellenkeller weltenweit entfernt. Hoffen wir, dass das noch lange so bleibt.