Aus Riesenbeck, wohin Ludger Beerbaum demnächst mit seinem gebrochenen Haxen wieder heimkehren wird, heißt es kurz und knapp: „Das ganze Verfahren hat viel zu lange gedauert, diese Entscheidung war absehbar. Ich werte es als einen klaren Freispruch.“ Vor mehr als einem Jahr hatte ihn RTL der Tierquälerei bezichtigt, aber die Staatsanwaltschaft Münster sah keine Beweise, stellte das Verfahren im September 2022 ein. Weshalb sich die Disziplinarkommission der FN derart lange Zeit gelassen hat, bleibt mir ein Rätsel.

Heute am Vormittag kam aus der FN-Zentrale in Warendorf die längst fällige Nachricht: „Verfahren gegen Ludger Beerbaum eingestellt.“ Die Disziplinarkommission hatte geprüft, ob sich aus der Videosequenz eines Fernsehbeitrags eine Verletzung des Regelwerks LPO durch Ludger Beerbaum ergibt.“ Wie noch gut erinnerlich, hatte der FN-Generalsekretär Sönke Lauterbach unmittelbar nach der scheinbaren RTL-Enthüllung im Januar 2022 erklärt, dass das, was auf der damals bereits zwei Jahre alten Filmsequenz zu sehen sei, sei klares Barren, also ein Verstoß gegen das bestehende Verbot des Barrens und deshalb aus seiner Sicht nicht akzeptabel.

Auch aus dem Hauptquartier der FEI in Lausanne kamen ähnlich kritische Stellungnahmen. Unter dem Druck der Ereignisse und dem öffentlichen Echo stellte man in Warendorf eine zwanzigköpfige Sonderkommission zusammen, die den „Fall Beerbaum“ unter die strenge Lupe nehmen sollte. Ihr einstimmiges Urteil: „Das bis dato erlaubte Touchieren wird von sofort an verboten.“ Ludger Beerbaum kritisierte seinerzeit diese ihm übereilt und nicht sachgerecht erscheinende Entscheidung – sagte aber gleichzeitig, dass er diesen Schritt vollauf akzeptiere.

Schon frühzeitig hatte die für Münster und Umgebung zuständige Staatsanwaltschaft in Münster Ermittlungen aufgenommen und Ludger Beerbaum auf seiner Reitanlage in Riesenbeck aufgesucht. Beerbaum wiederum hatte öffentlich erklärt, uneingeschränkte Auskünfte zu erteilen und Einsichten zu gewähren. Nicht allzu lange Zeit später, im September 2022, stellte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen ein. Ihre Begründung: Man habe keinerlei Beweise dafür gefunden, dass den auf den Filmsequenzen gezeigten Pferden erheblich Schmerzen zugefügt worden seien.

Die Annahme allerdings, dass die Disziplinarkommission der FN zeitnah der Einschätzung der Staatsanwaltschaft folgen würde, erwies sich als Trugschluss. Über Monate hörte man aus Warendorf nichts zum Thema – bis heute Vormittag. Die aktuelle Begründung der FN-Kommission: „Es liegt kein Nachweis dafür vor, dass dem Pferd in der Videosequenz, die dem Verfahren zugrunde lag, erhebliche Schmerzen zugefügt wurden.“ Das ist wortgleich die Linie der Staatsanwaltschaft Münster.

Der FN, so heißt es von dort, „wurden zwar mehrere Videosequenzen vorgelegt, jedoch war nur eine Sequenz Gegenstand des Verfahrens. In den übrigen Sequenzen waren entweder die handelnden Personen nicht zu identifizieren oder es ergab sich aus dem gefilmten Verhalten kein Anfangsverdacht für eine Verletzung der Leistungsprüfungsordnung (LPO)“.

Noch ein Zitat: „Hier handelte es sich um einen rechtlich sehr schwierigen Fall. Es ging allein darum, ob sich aus der Videosequenz eine Verletzung der LPO ergibt, aber nicht darum, ob die inzwischen verbotene Methode des Touchierens so angewendet wurde, wie sie in den Richtlinien beschrieben war. Diese Frage zu beantworten, hat sich die Disziplinarkommission nicht leicht gemacht“, so die FN-Justitiarin Dr. Constanze Winter.

Meine Sicht der Dinge: Nachdem die Staatsanwaltschaft in Münster ihre Ermittlungen eingestellt hatte, konnte die FN-Disziplinarkommission gar nicht anders entscheiden. Der Weg zu einem Prozess war versperrt. Außerdem forderte Ludger Beerbaum von Anfang an einen Freispruch – eine Startsperre und/oder Geldstrafe hätte er nicht akzeptiert. Warum auch? Womöglich wär’s darüber zum Prozess gekommen. Die Tatsache, dass sich das FN-Gremium – wie ich finde – über Gebühr lange Zeit gelassen hat, um zum selben Resultat zu kommen wie die Staatsanwaltschaft, wird in ihrer heutigen  Stellungnahme dargelegt: Man habe sich besonders viel Zeit und Mühe gegeben, weil es sich um einen „rechtlich sehr schwierigen Fall „gehandelt habe.

So schwierig war’s nun auch wieder nicht: Hätte sich der FN-Generalsekretär nicht so frühzeitig aus dem Fenster gelehnt und den Fall als klaren Verstoß gebrandmarkt, wäre allen Beteiligten vieles erspart geblieben. Denn die nur wenige Sekunden langen Sequenzen waren lausig schlechtes Material. Nach dem Urteil vieler Experten war die wichtigste Sequenz im Tonstudio eindeutig nachbearbeitet, um ein lauteres Knallen hörbar zu machen.

Was ich im Nachhinein schade finde: Leider hat Ludger Beerbaum auf Anraten seiner Anwälte darauf verzichtet, Klage zu führen gegen RTL und gegen diejenigen, von denen die Jahre alten Sequenzen stammen. Immerhin ging es dabei ja auch um Hausfriedensbruch. Natürlich ist es verständlich, dass Ludger Beerbaum die leidige Angelegenheit so rasch wie möglich vom Tisch haben wollte. Diesen Gefallen hat ihm die Disziplinarkommission allerdings gar nicht getan.

Was lehrt uns nun die Geschicht‘? Im Zeitalter der weltweiten Videoüberwachung aller Orten und rund um die Uhr muss jeder Sportler, zumal wenn er zur Elite zählt, damit rechnen, beobachtet zu werden. Das ist Fluch und Segen zugleich. Denn diese Technologie, das zeigen die Beispiele aus der jüngsten Zeit, kann durchaus wichtig werden, wenn es darum geht, wirklich widerliche Tierquäler zu überführen. Ich wünschte mir allerdings, dass diese Leute mit aller Konsequenz verfolgt und bestraft werden. Doch auf diesem Feld ist noch viel Luft nach oben.