Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat am 11. Januar die beiden Ermittlungsverfahren gegen Annika Schleu und ihre Bundestrainerin Kim Raisner eingestellt. Zuvor hatten sich nach Angaben ihrer Rechtsanwälte beide Frauen dazu bereit erklärt, Geldbeträge an gemeinnützige Einrichtungen zu zahlen: Annika Schleu werde 500 Euro bezahlen, ihre Bundestrainerin einen nicht näher bezeichneten „geringen Geldbetrag“.

Die Ermittlungsverfahren seien damit „endgültig abgeschlossen“, nähere inhaltliche Erläuterungen gibt es nicht. Die Anwälte betonen, dass Annika Schleu und Kim Raisner mit ihrer Bereitschaft, Geldbeträge zu zahlen, „keine Schuldanerkenntnis“ leisten; man habe sich „aus rein verfahrensökonomischen Gründen“ zu den Zahlungen entschlossen.

Ist also knapp fünf Monate nach den schauerlichen Bildern vom sogenannten Modernen Fünfkampf in Tokio alles paletti? Ich finde nein, keineswegs! Annika Schleu und Kim Raisner haben einen völlig legalen Rechtsweg beschritten, das ist ihr gutes Recht und nicht zu kritisieren. Den Vorwurf der Tierquälerei gegen Annika Schleu und den Vorwurf der Beihilfe zur Tierquälerei gegen Kim Raisner gibt es von Gerichts wegen nicht. Die Kläger vom Deutschen Tierschutzbund geben sich damit zufrieden, eine kritische Debatte angestoßen zu haben. Immerhin können sie darauf verweisen, dass das Reiten aus dem Fünfkampf gestrichen werden wird.

Bei den Spielen in Paris 2024 steht es noch einmal auf dem Programm. Man darf gespannt sein, wie der olympische Wettkampf dort abläuft, welches reiterliche Niveau dort herrschen wird und ob es die Veranstalter schaffen, überhaupt die notwendige Anzahl von geeigneten Pferden zu rekrutieren. Wichtig wird es übrigens sein, die nationalen und internationalen Fünfkämpfe, die in Richtung Paris 2024 führen, genauer zu beobachten als dies in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Schließlich noch dies: Die Bilder aus Tokio von der hysterisch aufheulenden Annika Schleu und ihrer Bundestrainerin, die „Hau drauf!“ ruft und deren Pferd mit der Faust zum Vorwärtsgehen drängen will – sie bleiben uns ungut im Gedächtnis. Beide haben, ganz unabhängig von der aktuellen Rechtsentscheidung, ihrem Sport schwer geschadet, ebenso dem Reitsport insgesamt.

Mit den Namen Schleu und Raisner bleibt die Abschaffung des Reitens aus dem Fünfkampf historisch verbunden. Das ist, jedenfalls aus meiner Sicht, die härtere Strafe für die beiden Frauen. Ob Kim Raisner 2024 noch Bundestrainerin sein wird? Und ob Annika Schleu auch 2024 zum deutschen Fünfkampfteam gehören wird? Ich bin der Ansicht, beide sollten ihre aktive Laufbahn beenden. Das wäre ein klarer Schnitt.

Aktueller Nachsatz: Am 19. Januar 2022 bietet die Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ Annika Schleu zum zweiten Mal die Chance, sich in einem großen Interview auf einer ganzen Seite zu äußern. Kritische Fragen stellt die Zeit-Redaktion erneut nicht. Annika Schleu erklärt: „So will ich nicht abtreten, ich mache weiter bis Paris 2024!“