…aber ohne Geschichte ist alles nix! Deshalb schaue ich, bevor in dieser Woche das 36. Weltcupfinale der Dressurreiter beginnt, auf den Ursprung und die Historie dieses wichtigen Wettkampfes zurück. Das diesjährige Finale in Omaha/Nebraska, das zweite übrigens dort nach 2017, startet mit einem Manko: 18 Pferde hätten teilnehmen dürfen – es sind aber leider nur 16. Zuletzt ließ sich Alisa Glinka aus Moldavien von der Startliste streichen.

Beamen wir und ganz kurz zurück in den Sommer 1984, Olympische Spiele von Los Angeles. Reiner Klimke gewinnt hochverdient die Goldmedaille in der Einzelwertung: Mit seinem Ahlerich, dem weltbesten Dressurpferd jener Jahre, zeigt der Rechtsanwalt aus Münster „eine beeindruckende Serie von fliegenden Wechseln, genau zum Takt der Olympischen Hymne“. So schildert es im Nachhinein der Niederländer Joep Bartels, dessen Frau Tineke zum Team der Niederlande gehört. Und Joep Bartels hat sofort eine Idee, die er wenig später international zur Sprache bringt: „Die klassische Dressur sollten wir durch eine Kür zur selbstgewählten Musik ergänzen und damit aufwerten.“

Nach anfänglicher Skepsis, die weit verbreitet war, setzte Joep Bartels die Einführung eines Weltcups mit Finale durch – orientiert am Beispiel der Springreiter, deren Weltcupserie bereits 1978/79 begonnen hatte. In den ersten Jahren bestand das Finale aus einem Grand Prix und einer Kür, deren Ergebnisse einfach addiert wurden. Seit 2002 an gilt der Grand Prix lediglich als Einlaufprüfung – für den Titel zählt „nur“ die Kür. Seit 1996 bildet die Kür auch das Einzelfinale im olympischen Turnier.

Joep Bartels, der Erfinder dieses neuen Wettkampfes, war lange Jahre der sportfachlich verantwortliche Weltcupdirektor. Er präsentierte während der Weltreiterspiele 2010 in Lexington/Kentucky den Modekonzern Reem Acra als neuen Sponsor. Seit der Saison 2017/18 war es der Softwarekonzern SAP. Mittlerweile sponsert der Schweizer Uhrenkonzern Longines neben dem Weltcup der Springreiter auch den der Dressurreiter. An seinem Finale darf teilnehmen, wer in den Ligen bzw. Qualifikationen mindestens zweimal Noten von 68 Prozent in der Kür erreicht. Pro Nationen sind im Finale lediglich drei Aktive zugelassen. Insgesamt können 18 Reiter-Pferd-Paare zum Finale antreten.

Blicken wir auf die „ewige“ Siegerliste – freilich ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Die Dänin Anne Grethe Jensen und ihr Marzog siegten 1986 bei der Premiere in Herzogenbosch. (Jensen und Reiner Klimke mit Ahlerich hatten 1985 zur Gründung des German Masters in der Schleyerhalle einen unvergessenen Pas de Deux beigesteuert.) Die nächsten beiden Finals sicherte sich Christine Stückberger aus der Schweiz auf Gaugin de Lully. Das vierte ging in Göteborg an die für Frankreich reitende Saarländerin Margit Otto-Crepin auf Corlandus. Erst beim siebten Finale, 1992 in Göteborg, schaffte Isabell Werth mit ihrer Stute Fabienne den ersten deutschen Erfolg.

In den Jahren 1993 und 1994 siegte Monica Theodorescu auf dem hocheleganten Rappen Ganimedes. Danach begann die Siegesserie der Niederländerin Anky van Grunsven mit Bonfire. Anky, die ihre Karriere vor Jahren beendet hat und seither im Westernsattel aktiv ist, hat daheim neun(!) Weltcuppokale stehen. Isabell siegte bis dato fünfmal – zuletzt dreimal in Folge mit Weihegold: 2017, 2018 und 2019. 2020 und 2021 wurden die Finals wegen der Corona-Pandemie abgesagt. 2022 siegte Jessica von Bredow-Werndl auf Dalera in Leipzig.

Alles in allem ist das Weltcupfinale der Dressurreiter eine Domäne der Niederländer: 13mal siegten die Aktiven aus unserem Nachbarland – neben Anky van Grunsven auch Adelinde Cornelissen, Peter Minderhoud und 2010 Edward Gal mit Totilas. Schade, dass es in dieser Woche nicht zum Zweikampf zwischen „Littie“ Fry und ihrem Hengst Glamourdale und Jessica von Bredow-Werndl und ihrer Dalera kommt. Erstmals in der Geschichte starten weniger Aktive als es Startplätze gibt. Das gilt übrigens auch für manche der Qualifikationen.

Sagen wir mal so: Wenn die Aktiven weiterhin und vor lauter Taktik die Ausrichter ihres Weltcups im Stich lassen oder gar brüskieren, dann brauchen sie sich nicht zu wundern, wenn es in den kommenden Jahren immer schwerer wird, Veranstalter dafür zu finden. Man sollte nicht auf zu hohem Ross sitzen. Und man sollte auch nicht an dem Ast sägen, auf dem man sitzt.