Der französische Topreiter Julien Epaillard wirbt schon seit einigen Jahren dafür, die Springpferde nicht mehr zu beschlagen – er habe damit beste Erfahrungen und große Erfolge. Ganz aktuell hat der 45-Jährige aus der Normandie den beiden Fachjournalisten Sascha Dubach (Chefredaktor der Schweizer Pferdewoche) und Pascal Renauldon (PR-Journalist aus Paris) in einem Interview Rede und Antwort gestanden. Epaillard sattelt dieses Wochenende beim Weltcupturnier in Leipzig. 

Erste Frage der beiden Kollegen an Julien Epaillard: „Ist das Reiten von Pferden ohne Hufeisen ein Allheilmittel? Welche Vorteile bringt es?

Julien Epaillard: „Es ist ein etwas kompliziertes Terrain, weil ich vielleicht viele Leute gegen mich aufbringe. Dennoch habe ich langsam die Erkenntnis, denn seit drei Jahren sind alle meine Pferde unbeschlagen. Dabei sehe ich mich mit einer ganze Reihe von Hufschmieden und Tierärzten konfrontiert, die nicht alle einer Meinung sind. Schön, dass ich eine Diskussion anregen konnte.

Ich denke, dass barhuf kein Allheilmittel ist, aber ein Schritt, der die Leute zum Nachdenken bringt. Man soll sich ja stets weiterentwickeln. Aktuell arbeite ich mit einem Unternehmen aus Bordeaux an der Entwicklung eines Hufschuhs für Sportpferde. Ich interessiere mich sehr dafür, schaue sie mir ganz genau an und verfolge weniger das Stereotyp, dass Tierärzte nur behandeln, Hufschmiede nur beschlagen und Reiter nur reiten. Heute betrachte ich meine Pferde eher in ihrer Gesamtheit, wobei ich natürlich gut betreut werde, weil ich nicht über das gesamte Wissen verfüge.

Tierärzte und Hufschmiede sind sind nach wie vor unverzichtbar und mein Team ist mir ebenfalls wichtig. Es ist zu meinem Alltag geworden, meine Pferde zu beobachten und nicht einfach draufzusteigen und zu sagen, dass halt jeder seinen eigenen Job machen muss. Ich tausche mich regelmäßig mit den Tierärzten und den Hufschmieden aus, um Leistung und Tierwohl zu gewährleisten.“

Machen es Ihnen heute andere Reiter nach?

Julien Epaillard: „Ich habe den Eindruck, dass es vorangeht. Der Erste, der „umgeswitcht“ hat, war der Italiener Luca Moneta. Ihm folgte mein Freund und Landsmann Michel Hecart. Jetzt ist es tatsächlich so, dass unter uns Spitzenreitern eine ganze Menge gibt, die unserer „Bewegung“ folgen. Man sieht viele Reiter aus dem Top Ten der Welt, die ihre Pferde ohne Hufeisen an den Start bringen: Henrik von Eckermann und Peder Fredricson aus Schweden, Kevin Staut und Simon Delestre aus Frankreich, Connor Swail aus Irland.

Ich sage ja nicht, dass ich alles verstanden habe und dass alle Pferde barhuf sein müssen! Ich sage nur, dass wir uns auf diesen Bereich und die verschiedenen Möglichkeiten mehr konzentrieren müssen.“

Julien Epaillard liegt im Rennen um die Qualifikation für das Weltcupfinale in Omaha/Nebraska aktuell auf Platz drei mit 62 Punkten. Damit hat er das Ticket sicher. Auf der aktuellen Weltrangliste der Springreiter belegt er ebenfalls Rang drei. Henrik von Eckermann, mit 88 Zählern haushoch an der Spitze, verzichtet auf den Start in Leipzig, weil er ebenfalls längst qualifiziert ist.

Von Henrik und seinem Landsmann Peder Fredricson wissen wir, dass beide in Tokio Teamgold holten – ihre Pferde gingen dort ohne Hufeisen. Henrik war bei seinem WM-Sieg in Herning mit King Edward ebenfalls ohne Hufeisen unterwegs. Von Christian Ahlmann heißt es, er sei mittlerweile auch auf diese neue Linie umgeschwenkt. Es wird interessant sein zu beobachten, wie weit und wie stark sich der Verzicht auf die Hufeisen gerade im vorolympischen Jahr weiter verbreitet.

Ich verfolge diese Entwicklung schon einige Zeit mit großem Interesse, habe aber noch keine abschließende Meinung dazu. Ein paar Eckpunkte, die mir wichtig erscheinen, möchte ich hier und heute nennen: In der Vielseitigkeit wird sich das Reiten ohne Hufeisen wohl nicht durchsetzen. Auf dem Viereck und im Parcours wäre es praktikabel, beim Geländeritt aber keinesfalls. Wir wissen aus den zurückliegenden Jahren, welche Probleme es gibt, wenn Pferde im Busch ihre Eisen verlieren.

Wie es Springpferden ohne Eisen ergeht, wenn sie auf Grasplätzen laufen sollen und es regnet oder es hat geregnet – ich sehe zumindest ein erhöhtes Risiko. Natürlich gibt’s in den Hallen mit perfektem Geläuf keine Schwierigkeiten. Bei tiefem Boden im Freien unter Regen – womöglich auch riskant. Was die Dressurleute zum Thema „barhuf“ sagen, müsste noch genauer eruiert werden.

Außerdem wüsste ich gerne, ob und wie genau Topleute wie Julien Epaillard oder Henrik von Eckermann ihre täglich Hufpflege umgestellt bzw. angepasst haben: Kommt der Hufschmied nach wie vor regelmäßig, um die Hufe auszuschneiden? Oder regeln das die Grooms? Wie stark werden Huffett und/oder Huföl noch verwendet? Belastet es die Pferde nicht starker, wenn sie ohne Hufeisen viele Stunden lang auf den Transportern stehen oder auch im Flugzeug? Muss man für Pferde ohne Hufeisen eine andere Einstreu verwenden, weil die Gefahr wächst, dass sie auf feuchter oder gar nasser Unterlage stehen und die Hufe weicher werden? Besteht womöglich eine verstärkte Gefahr von Mauke?

Die von Julien Epaillard einmal mehr angestoßene Diskussion finde ich sehr spannend. Wer das ganze Interview mit ihm lesen möchte, dem empfehle ich www.pferdewoche.ch