Beim Christmasturnier in London, diesjahr mal nicht in der alt-ehrwürdigen Olympia-Hall, ist Ingrid Klimke mit ihrem Franziskus dem großen Ziel einen wichtigen Schritt näher gekommen: Qualifikation zum Weltcupfinale 2023 in Omaha/Nebraska. Nach der fünften von elf Stationen führt die Reitmeisterin aus Münster mit 55 Punkten das Gesamtfeld der 65 Konkurrenten an.

Der Sieg in der Weltcupkür von London ging am späten Freitagabend erwartungsgemäß an den neuen Superstar im weltweiten Dressurzirkus: „Lottie“ Fry und ihren elfjährigen niederländischen Rapphengst Glamourdale, übrigens im Besitz der Niederländerin Anne van Olst, die früher selbst große Championate für ihr Land bestritten hat. Der Hengst mit dem wunderbaren Charisma, mit den Bewegungen vom anderen Stern, bekam von den fünf Juroren, darunter gleich zwei Briten, zurecht 90,995 Prozentpunkte. Und seine Reiterin schwärmte: „Es war ein unglaublicher Abend am Ende dieser wunderbaren WM-Saison. Dazu die höchste bisherige Wertung im Weltcup.“

Allein schon das Einreiten in die ausverkaufte Londoner Messehalle, so „Littie“, sei „etwas ganz Besonders gewesen: Die Zuschauer standen hinter mir – ich glaube, es gefiel ihnen genau so gut wie mir selbst. Sobald die Musik einsetzte, hat es sehr viel Spaß gemacht. Ich fühlte, dass mein Hengst so gut geht wie noch nie. Ich kann die kommenden Jahre kaum erwarten.“ Sodann original auf englisch: „Paris is the goal!“ Meine persönliche Übersetzung dieser vier Worte geht so: „In eineinhalb Jahren, bei den Spielen in Paris, kommen nur zwei für die Goldmedaille in Betracht: mein Glamourdale und ich! Ihr werdet, so leid es mir tut, keine Chance haben gegen uns beide!“

Um hier und heute ganz ehrlich zu sein: „Littie“ Fry ist die klare Favoritin auf das olympische Gold von Paris 2024. Mit der Siegprämie von 14 100 Euro war das Gespann gestern eigentlich unterbezahlt. 10 250 Euro gingen für Platz zwei an Litties Landsmann Gareth Hughes und seine Briolinca mit 84,590 Prozent; just dieser Gareth Hughes war es, der bei der WM in Herning mit Corona infiziert ritt und sich ohne Bedenken bei der Siegerehrung von den Konkurrenten fröhlich herzen ließ. Ich verstehe bis heute dieses Verhalten nicht.

Für Ingrid Klimke und ihren Franziskus auf Platz drei mit 83,170 Punkten gab’s knapp 7700 Euro. Das Reisegeld ist jedenfalls wieder hereingekommen. Helen Langehanenberg und ihre Annabelle landeten mit 82,135 Prozent auf Platz vier, bekamen 5800 Euro. Die weiteren elf Konkurrenten blieben unter der 80-Prozent-Marke. Ingrid Klimke führt jetzt die Punkteliste im Weltcup der Westeuropa Liga an. Ihr Plan scheint mir klar: Sie möchte unbedingt zum Finale in die USA! Das bedeutet einen der zwei vakanten Startplätze für Deutschland hinter Jessica von Bredow-Werndl, die als Titelverteidigerin gesetzt ist.

Doch dieser Kampf um die beiden Finaltickets bleibt superspannend: Benjamin Werndl, in London nicht am start, liegt mit 50 Zählern auf Rang drei vor Helen Langehanenberg mit 41. Isabelle Werth folgt mit jetzt 37 Punkten auf Platz sechs der Gesamtliste. Sie könnte das Nachsehen haben. Frederic Wandres ist mit nur 33 Punkten auf Platz acht zurückgefallen. Nicht zu vergessen: Morgan Barbacon, die Spanierin, die für Frankreich startet, liegt auf Platz zwei mit 51 Zählern – sie dürfte gute Chancen haben für einen Startplatz beim Finale.

Die nächsten Stationen im Kürweltcup: Mechelen kurz nach Weihnachten sowie Basel, wo es Mitte Januar zum ersten Male nicht nur das aus Zürich übernommene Weltcupspringen, sondern auch die Weltcupkür geben wird. Hernach folgen Amsterdam, Neumünster, Göteborg und Herzogenbosch. Wer gegen mich wetten möchte, der kann sich ja melden: Ich glaube nicht, dass Glamourdale und Dalera in irgend einer Qualifikation aufeinandertreffen – wahrscheinlich erst im Finale. Womöglich aber läuft die Taktik der Gladiatorinnen darauf hinaus, sich erst bei Olympia 2024 vor dem Schloss von Versailles zu duellieren. Ganz großes Kino.