Schaut man auf die WM-Bilanz von Isabell Werth zwischen ihrer Premiere 1994 im Stadtpark von Den Haag und dem Tryon Horse Park von 2018 so finden sich neun Goldmedaillen, darunter vier Einzeltitel. Mitte August im dänischen Herning möchte Isabell Werth mit Quantaz gerne wieder auf dem Treppchen stehen – eine echte Herausforderung.
Während des traditionsreichen Hausturniers von Ulli Kasselmann auf seinem Hof im Teutoburger Wald gab’s diese Schlagzeile: „Vier Siege für Isabell Werth“. Nur wenige Tage nach dem tränenreichen Abschied von Weihegold in Leipzig aus dem Sport war es in Hagen nicht zu übersehen: Die erfolgreichste Reiterin des modernen Turniersports macht klare Ansagen und lässt sogleich Taten und Fakten folgen. Ihr altes Kredo bleibt aktuell: „Wer mich kennt, der weiß, ich gebe niemals auf!“ Das heißt auf deutsch: Nach dem Abschied von Weihegold folgt im Juni in der Soers der mit einem Jahr Verspätung nachgeholte Abschied von Bella Rose – aber die Richtung ist glasklar: WM 2022 in Herning, EM 2023 in Riesenbeck und 2024 die achten Olympischen Spiele in Paris. Noch Fragen?
Für die Nachgeborenen sei es an dieser Stelle noch einmal erwähnt: Im Sommer 1989 debütierte Isabell Werth mit dem kantigen Weingart bei der Dressur-EM im luxemburgischen Bad Mondorf. Teamgold war der Lohn für ihren mutigen und geglückten Einstand. Das war vor 33 Jahren! Seitdem reitet sie (fast) ohne Unterbrechungen an der Weltspitze, hat rund zwei Dutzend verschiedenster Pferde aus unterschiedlichen Zuchtgebieten selbst ausgebildet und in den großen Sport gebracht: Hengste, Stuten und Wallache. Mitunter fragt man sich, wo Isabell Werth mit über fünfzig die körperlichen Kräfte dafür her nimmt, denn die Ausbildung von Toppferden auf dem Dressurviereck ist nun einmal schwere körperliche Arbeit.
Im olympischen Jahr 2020, noch ehe die Absage aus Tokio gekommen war, hatte ich die freundlich gemeinte These aufgestellt, es wäre doch für Isabell Werth eine gute Gelegenheit, mit einer Goldmedaille in Tokio ihre Glanzkarriere zu beenden. Schließlich lehrt ja die Erfahrung bei herausragenden Spitzensportlern, dass viele sich schwer damit tun, den richtigen Absprung zu finden. Isabell Werth hat das offenkundig nicht gerne gelesen, steckte von Anfang an ihr Ziel klar und deutlich ab: „Ich fühle mich noch fit und gesund, die Ausbildung der jungen Pferde macht mir großen Spaß. Mein Ziel ist Paris 2024.“
Nach der Verlegung der Spiele von Tokio um ein Jahr ist nicht nur für Isabell Werth eine neue Situation entstanden: Jessica von Bredow-Werndl hat mit Dalera souverän die Goldmedaille gewonnen, zuletzt auch souverän das Weltcupfinale von Leipzig. Und die jungen Damen aus Dänemark mit Catherine Dufour an der Spitze setzen alles daran, bei ihre Heim-WM in Herning den Mannschaftstitel zu gewinnen. Die Chancen dafür stehen (Stand heute) sehr gut. Jessica von Bredow-Werndl fehlt, weil sie bekanntlich im August ihr zweites Kind erwartet. Klipp und klar: Dalera ist nicht zu ersetzen, das deutsche Quartett muss womöglich mit der Silbermedaille vorlieb nehmen.
Für Isabell Werth scheint das kein ernstes Problem zu sein: ihr 12jähriger Brandenburger Hengst Quantaz DSP soll sie zur WM tragen und dort möglichst aufs Treppchen. Und gleich daneben setzt die Rheinbergerin auf die zehnjährige Hannoversche Stute Superb, die beim Kasselmann-Turnier in Hagen die Aufmerksamkeit auf sich zog. Diese elegante, hochbeinige Stute will Isabell Werth bis Paris 2024 soweit haben, um auf dem großen olympischen Viereck zu überzeugen. Es geht um das achte Gold und damit um den Rekord der deutschen Olympiasportler – selbst wenn Isabell Werth immer wieder sagt: „Statistik und Rekorde interessieren mich überhaupt nicht.“ Bei diesem Thema scheint sie völlig emotionslos. Aber das sollten wir ihr nicht so einfach abnehmen.