Peter Hauk, der Minister für Landwirtschaft und Umwelt, hält sich bedeckt. Auch das Haupt- und Landgestüt Marbach schweigt. Auf die scharfe Kritik des Landesrechnungshofes von Baden-Württemberg gibt es bis zur Stunde (Mittwoch 15.30 Uhr) keinerlei Stellungnahme. Wie gestern berichtet, beklagt der Rechnungshof die mangelnde Wirtschaftlichkeit des Gestüts im Lautertal auf der Schwäbischen Alb.
Um den Hintergrund auszuleuchten, vor dem man diese Kritik sehen muss, möchte ich heute einige Aspekte ergänzen, die man kennen sollte, um die Lage des landeseigenen Betriebes einigermaßen einschätzen und beurteilen zu können. Punkt eins: Die vergangenen beiden Jahre der weltweiten Pandemie haben auch diesem Betrieb schwer zugesetzt. Die traditionsreichen Auktionen konnten nicht vor Ort in Marbach, sondern nur per online übers Internet stattfinden.
Dass die Umsätze geringer ausfielen und die Verkäufe der Pferde direkt ab Stall ebenfalls, darf man wohl unterstellen. Früher kamen Kunden, die bei der Auktion nicht zum Zuge kamen, eben später ins Gestüt, um Reit- und Gebrauchspferde zu kaufen. Das fiel flach. Die Stallungen waren wegen der Pandemie für Besucher geschlossen. Dass die jährlichen Defizite in einer solchen Zeit steigen, das gilt, wie ein Blick in die aktuelle Politik zeigt, für alle staatlichen Bereiche – übrigens auch für uns Privatleute.
Punkt zwei: Wenn die Rechnungsprüfer kritisieren, das Gestüt habe zu viele Pferde, so muss man das, wie ich finde, differenziert sehen. Anders gesagt: Ohne das Haupt- und Landgestüt wären die Rasse der Altwürttemberger und die Rasse der Schwarzwälder Füchse längst ausgestorben. Die Mühen des Gestüts und seiner Mitarbeiter über die Jahrzehnte sind gar nicht hoch genug einzuschätzen. Auf der aktuellen Internetseite des Gestüts finden sich 24 Hengste der Rasse Schwarzwälder Fuchs. Ob es so viele sein müssen, darf man fragen. Übrigens: eine der noch verbliebenen fünf „Servicestationen“ – früher Deckstationen – liegt übrigens in St. Märgen im Südschwarzwald, der Hochburg der Zucht dieser leichten Kaltblutpferde.
Punkt drei: Selbst erfahrene Pferdeleute wissen oft nicht, was eigentlich „Haupt- und Landgestüt“ bedeutet. Kurz und knapp aufgeklärt: Hauptgestüt bedeutet, dass man eigene Stutenherden unterhält, um eigene Pferde zu züchten. In Marbach hat die Warmblutherde 30 Stuten, die legendäre Araberherde 20 Stuten. (Wie vor gut einem Jahr von mir berichtet, hat ein ägyptischer Millionär aus Kairo dem Gestüt fünf Hengste und vier Stuten geschenkt, eine davon tragend. Sie sollen für die Blutauffrischung der historischen Araberherde sorgen. Eine sinnvolle Sache.)
Punkt vier: Der Begriff „Landgestüt“ bedeutet, dass das Gestüt Hengste anschafft oder selbst züchtet, die für die eigenen Herden bereit stehen, ebenso für die breite Züchterschaft im Land. Haupt- und Landgestüte gibt’s in Deutschland nur wenige – Marbach ist das älteste. Zu seinem breiten Angebot an die Züchterschaft gehört unter anderem auch die Fohlenaufzucht, die Weiterbildung von Amateuren im Reiten und Fahren, die Ausbildung von Pferdewirt*innen in Zucht und Haltung sowie im Reiten. Das Gestüt veranstaltet Hengstparaden; in diesem Jahr 2022 fallen sie aus, weil das Gestüt im September/Oktober beim Landwirtschaftlichen Hauptfest auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart vertreten ist.
Punkt fünf: Aus eigener Anschauung und Kontakten zu altgedienten Gestütswärtern weiß ich, dass im zurückliegenden Jahrzehnt eine lange Reihe von Mitarbeitern in Pension gegangen sind – ihre Planstellen wurden zumeist gestrichen. Das Ministerium in Stuttgart hat dem Gestüt auf diese Weise eine harte Sparpolitik auferlegt, von der in der Denkschrift des Rechnungshofes gar keine Rede ist. Umgekehrt wird ein Schuh draus: In Marbach werden viele junge Frauen und Männer bestens ausgebildet für die Pferdezucht und die Reiterei. Bei ihren Prüfungen in Warendorf zählen die Marbacher stets mit zu den Besten ihrer Prüfungsjahrgänge. Ob die Rechnungsprüfer das wissen, lässt sich aus ihrer Kritik leider nicht herauslesen.
Alles in allem. Das übliche Verfahren in der Landespolitik läuft so: Auf Kritik des Rechnungshofes wird nicht tagesaktuell Stellung genommen. Letztlich findet die Diskussion darüber im zuständigen Ausschuss statt. Konkrete Beschlüsse fallen, wenn der viele Milliarden umfassende Haushalt des Landes verabschiedet wird. Der genaue Zeitpunkt dafür lässt sich im Moment noch nicht absehen. Zugegeben, Rechnungsprüfer werden nicht für Fairness bezahlt, sondern für Sparvorschläge. Trotzdem: Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Kritik der Rechnungsprüfer am Gestüt nicht fair ist. Bleibt zu hoffen, dass sich der Minister und die grün-schwarze Landesregierung politisch vor das Gestüt stellen.