Tobias Königs, der neue Pressechef des „Tschio“ in der weltberühmten Aachener Soers, hat dieser Tage eine Meldung verbreitet unter der Überschrift „Spektakuläres Programm bei Pferd & Sinfonie“. Dass Turnierveranstalter ihr eigenes Programm gerne als spektakulär kennzeichnen, ist normal und nicht der Rede wert. In diesem konkreten Fall jedoch lohnte sich die Lektüre bis zum Schluss. Denn gegen Ende heißt es da: „Als absolutes Top-Hightlight hat sich die amtierende Doppel-Weltmeisterin Charlotte Fry angekündigt.“ Die kesse „Littie“ also in der Soers.

Aber der Reihe nach: Partnerland des Aachener CHIO 2023 ist Großbritannien. Also sind die Schauabende am 23. und 24. Juni im Dressurstadion dieser klassischen und traditionsreichen Reiter- und Fahrernation gewidmet. Die Musik dazu macht das Aachener Sinfonieorchester. Sein Dirigent heißt Christopher Ward – ein Brite. Na dann. Stargast beider Abende ist „Lottie“ Fry, die eine Kür reiten wird.

Die Frage, mit welchem Pferd, bleibt offen – ob Pressechef Tobias Königs das schon weiß, keine Ahnung. Meine Frage geht noch weiter: Reitet Charlotte Fry in der großen Aachener Dressurtour ihren Weltmeister Glamourdale, den spektakulären Rapphengst? Oder beschränkt sich ihr Auftritt in der Soers auf die beiden Schauabende?

Es wäre natürlich prima, wenn Glamourdale im großen Sport liefe, sich quasi duellieren würde mit Dalera unter Jessica von Bredow-Werndl und anderen Spitzenpaaren. Auf diese Weise würden die Damen im vorolympischen Jahr den Springreitern glatt und sauber die Schau stehlen und ihnen den medialen Rang ablaufen. Die Aachener könnten sich die Hände reiben. Wie auch immer sie sich entscheidet: Charlotte, 27 Jahre jung, wird so oder so das Glamourgirl in der Soers sein. Sie reitet bekanntlich seit Jahren für den Stall von Anne van Olst im niederländischen Breda, also nicht allzu weit entfernt von Aachen.

Da fällt mir ein: Wussten Sie übrigens, dass Anne van Olst eigentlich aus Dänemark stammt? Sie ist eine geborene Jensen, Jahrgang 1962, hat international für Dänemark geritten und allerhand Medaillen gewonnen. Eines Tages hat sie den niederländischen Herrn van Olst geheiratet und führt seitdem in der brabantischen Ortschaft Den Hout einen internationalen Turnier- und Zuchtstall. Übrigens war es der uns allen wohlbekannte Brite Carl Hester, der Anne van Olst empfahl, Littie Fry als Bereiterin anzustellen – eine geniale Idee.

Apropos Idee. Ob’s wirklich eine gute Idee von Anne van Olst war, auf das Weltcupfinale in Omaha zu verzichten – angeblich, weil der Hengst im Zuchtgeschäft unabkömmlich ist: Wir werden ja sehen, ob diese Taktik am Ende aufgeht. Mit Ende meine ich Olympia 2024 in Versailles, wo Glamourdale und Dalera, sofern die beiden hoffentlich topfit sind, Farbe bekennen müssen. Bis dahin können sich ihre Reiterinnen bzw. Besitzerinnen konsequent aus dem Weg gehen.

Ob das klug ist, werden wir ja sehen. Dalera hat bekanntlich das Weltcupfinale in den USA locker gewonnen, Glamourdale präsentierte sich zuletzt in Fontainebleau in guter Form, wenn auch nicht fehlerlos: 79,935 Prozentpunkte im Grand Prix sowie 89,360 Punkte in der Kür reichten zweimal zum Sieg. Bescheidene 3000 Euro Siegprämie gab’s im Grand Prix, ordentliche 25 239 Euro in der Kür. (Nicht zu vergessen, dass Dorothee Schneider mit First Romance 2 jeweils Platz zwei belegte, allerdings mit deutlichem Abstand.)

Aus dem Kommentar, den „Littie“ in Fontainebleau zu ihren Ritten gab, kann man nicht allzu viel herauslesen: „Glamourdale ist aktuell in einer großartigen Form. Wir hatten ein paar kleine Fehler, aber er war wirklich frisch und leistungsbereit. Selbstverständlich ist Paris 2024 unser ganz großes Ziel. Wir nehmen die Dinge, wie sie kommen, Tag für Tag. Die Herausforderung für mich ist es, meinen Hengst bei guter Laune zu halten, sodass er gerne seine Arbeit macht. Er ist nicht der Typ Pferd, das eine Menge an Wettkämpfen braucht. Er liebt den Wettkampf, gibt jederzeit sein bestes. Wenn ich in den Stall komme, merke ich sofort, ob er gut drauf ist oder ob er noch mehr Möhren möchte.“

Ich sag‘ mal so: Lotties Hinweis, ihr Hengst brauche nicht gar so viele Wettkämpfe, sagt eigentlich alles oder zumindest vieles: Oft werden wir die beiden vor Paris 2024 wohl nicht zu sehen kriegen. Aber eine alte Sportlerweisheit geht so: Man kann sich auch durch zu viel Taktik um den Erfolg bringen!