Die Wogen schlagen immer noch hoch, im Internet, in den sozialen Medien wird intensiv diskutiert, auch polemisiert, über die kritische RTL-Reportage vom vergangenen Dienstag. Die internationale Tierschutzorganisation PETA hat Anzeige erstattet gegen Ludger Beerbaum, was zu erwarten war. Übrigens nicht zum ersten Mal. Und erneut kommt die alte Idee der FN in die Debatte, nämlich eine Art von „Lehrfilm“ über das Touchieren drehen zu lassen. Dadurch, so hoffen manche, könnte das Thema versachlicht werden.

Kurze Rückblende: Anfang Dezember 2020 im Reitzentrum Riesenbeck International, an dem Ludger Beerbaum maßgeblich beteiligt ist. In einem der Springen stürzt die Belgierin Annelies Vorsselmans mit ihrem zehnjährigen Firkov Du Rouet schwer. Die Lebenspartnerin von Weltmeister und Olympiasieger Jerome Dubbeldam muss ins Krankenhaus, erleidet eine Schulterprellung, ihr Pferd erleidet nach offiziellem Statement eine „inoperable Fraktur des Oberarms“, muss leider eingeschläfert werden.

Gleich nach dem Unfall tritt die Tierschutzorganisation PETA auf den Plan, erstattet Anzeige gegen die Beteiligten. Es geht, wie immer, wenn PETA Anzeige erstattet, um Tierquälerei, verbunden mit der seit Jahren erhobenen Forderung, das Reiten aus dem olympischen Programm zu streichen. Die Maxime der durchaus umstrittenen Tierschützer: Pferde gehören nicht in den Sport! Auf ihrer Webseite fordert PETA dazu auf, ein Petition zu unterzeichnen, in der es darum geht, das Reiten „endlich aus dem olympischen Programm zu streichen“.

Im vergangenen Jahr, beim internationalen Turnier in Donaueschingen, habe ich Jerome Dubbeldam und seine Partnerin Annelies Vorsselmans gefragt, was aus dieser PETA-Anzeige gegen sie geworden sei. Wörtlich antwortete mir Jerome Dubbeldam damals: „Wir haben nichts mehr davon gehört. Niemand hat uns befragt oder sich an uns gewandt.“

Es ist keine Überraschung, dass die Tierschützer von PETA nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Ludger Beerbaum erneut Anzeigt erstattet haben: gegen Ludger Beerbaum sowie gegen unbekannt, nachdem aus der RTL-Reportage nicht ersichtlich ist, wer auf den nur schwer erkennbaren Videosequenzen mit den umstrittenen Stangen hantiert. Dabei schließt sich PETA dem nachweislich falschen Vorhalt der RTL-Redaktion an, Ludger Beerbaum sei 2004 bei den olympischen Spielen in Athen die Goldmedaille wegen Dopings aberkannt worden. Es handelte sich in Wahrheit um eine verbotene Medikation, die mit dem eigentlichen Leistungsvermögen des Hengstes Goldfever gar nichts zu tun hatte.

Kein Zweifel, das zentrale Problem ist die Grauzone zwischen dem verbotenen Barren und dem von der FN erlaubten Touchieren. In welche Kategorie gehört das, was man auf den wenigen RTL-Bildern bzw. Filmen sehen und erkennen kann? In einem Beitrag für das Fachmagazin „Cavallo“ schreibt Thies Kaspareit, FN-Ausbildungsleiter und Team-Olympiasieger von Seoul 1988 in der Vielseitigkeit: „Um genau diese Frage seriös klären zu können, werden sämtliche Videomaterialien eingefordert, um sie bezüglich aller Details inklusive des Verhaltens des Pferdes auf vor und nach dem Sprung zu analysieren.“

RTL ist jedoch nach wie vor nicht bereit, weiteres Material zur Verfügung zu stellen. Man verweist auf die Persönlichkeitsrechte der Beteiligten. Apropos. Unklar ist auch, wer die ehemalige Mitarbeiterin von Ludger Beerbaum war, der man eine enge Zusammenarbeit mit ihm nachsagt, und von der die Videosequenzen stammen sollen.

Unterdessen kommt auf den hippologischen Webseiten ein Thema in die Debatte, das den Anschein erweckt, es wäre völlig neu – ist es aber nicht. Bereits vor Jahren wurde in den Reihen der FN in Warendorf die Idee diskutiert und erwogen, einen Lehrfilm drehen zu lassen, in welchem für jedermann sichtbar und verständlich dargestellt wird, was das Touchieren genau bedeutet, was dabei zulässig und vertretbar ist. Auf diese Weise, so hoffte man seinerzeit, ließe sich die Brisanz des Themas zumindest abschwächen.

Ich erinnere mich daran, dass man damals von Seiten der FN namhafte Spitzenreiter befragt und gebeten hat, am Konzept für diesen „Lehrfilm“ mitzuarbeiten und sich im Sattel aktiv zu beteiligen. Der Film ist nicht zustande gekommen, weil niemand bereit war, daran mitzuwirken. Ich selbst hielt und halte bis heute nichts von einer solchen Idee. Der Film wäre völlig ungeeignet, die Diskussion zu versachlichen. Er wäre weder hilfreich in der von vielen Emotionen bestimmten Debatte, noch könnte er die Glaubwürdigkeit des umstrittenen Vorgehens unterstreichen. Deshalb wiederhole ich an dieser Stelle meine Sicht auf die Problematik: Das Touchieren muss verboten werden! Es ist fachlich inakzeptabel und nicht notwendig, es wird in der breiten Öffentlichkeit und in den Medien keine Akzeptanz finden. Wer seine Pferde seriös und mit Geduld ausbildet und trainiert, der hat es nicht nötig, weder das Touchieren, schon gar nicht das Barren!