Eine Überraschung ist es nicht, schon gar keine Sensation: Der Kölner Prof. Martin Richenhagen ist vom FN-Beirat zum Kandidaten für das vakante Amt des FN-Präsidenten nominiert worden. Bei der heutigen Sitzung in Warendorf erhielt der 72-Jährige 110 Stimmen, Hans-Jürgen Meyer erhielt 93 Stimmen. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der FN am 26. November soll der künftige FN-Präsident gewählt werden – um das Rennen zu machen, ist an diesem Tag eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

Die beruflichen Biografien und die reiterlichen Lebensläufe von Martin Richenhagen aus Ostbevern und Hans-Jürgen Meyer aus Nottuln sind hinlänglich bekannt und wiederholt intern und öffentlich diskutiert worden. Der dritte Kandidat im Bunde, Dr. Heinrich Bottermann aus Hamminkeln, hat bekanntlich seine Bewerbung zurückgezogen.

Kurz und knapp aus meiner Sicht: Martin Richenhagen, dessen hippologische Expertise, namentlich in der klassischen Reitausbildung und im Spitzensport auf dem Viereck, bekannt und unbestritten ist, läuft  von heute an auf der Zielgeraden – aber gewonnen hat er den zeitweise doch hart geführten Wettstreit um die Nachfolge des zurückgetretenen Hans-Jürgen Erbel noch nicht. Am 26. November, dem alles  entscheidenden Tag, wartet auf den 72-Jährigen die höchste Hürde, die er zu meistern hat: Die Zwei-Drittel-Mehrheit der dann anwesenden stimmberechtigten Mitglieder der verschiedenen Gruppierungen unter dem Dach der FN.

Kein Zweifel, eine homogene Gruppe mit völlig gleichlautenden Interessen, Vorlieben und Abneigungen ist diese Mitgliederversammlung keineswegs. Das sieht man am heutigen Wahlergebnis. Deshalb wird es auf das Geschick des neuen Präsidenten ganz wesentlich ankommen: Er muss tiefe Gräben zuschütten, die im Zuge der FN-Finanzkrise gerissen worden sind. Er muss den Mut zu unbequemen Entscheidungen haben. Er muss den deutschen Reitsport in der Öffentlichkeit vertreten – in der Ära Erbel lag dieser existenziell wichtige Bereich fast völlig brach. Gerade in diesem olympischen Jahr mit seinen tollen Erfolgen – übrigens beileibe nicht nur in Versailles – wurden leider viele Chancen vertan.

An den beliebten Rechenspielchen, wie sie vor allen Wahlen, großen oder kleinen, üblich und auch ein stückweit reizvoll sind, beteilige ich mich hier und heute nicht. Allerdings meine ich: Die wahlberechtigen FN-Delegierten tun gut daran, sich nach dem heutigen Votum am 26. November hinter Martin Richenhagen zu versammeln, um ein klares Signal nach außen zu senden: Die Deutsche Reiterliche Vereinigung muss ihre Krise, die ja nicht nur eine finanzielle ist, sondern auch eine personelle, rasch beenden und hinter sich lassen.

Dabei weiß jeder: Der neue FN-Präsident kann den Neustart, der ein gewaltiger Kraftakt werden wird, nicht alleine stemmen. Wie sehr die Solidarität in den Zeiten der tiefsten Krise, die man an der Freiherr-von-Langen-Straße erlebt hat, verloren gegangen ist, wird sich zeigen. Sollte Martin Richenhagen an der Zwei-Drittel-Mehrheit scheitern – nicht auszudenken. Das meine ich übrigens nicht als Drohung, sondern als möglicher neuer Tiefpunkt der FN-Krise.

Uralte politische Leitsätze kommen einem heute in den Sinn: Alle ziehen an einem Strang! Denn wir alle sitzen ja in einem Boot! Also nochmal: Der 26. November wird ein historischer Tag für den deutschen Sport mit den Pferden.