Sie hat einen großen Namen getragen, nämlich Bleyle. Sie gehörte zur Familie, die 1889 in Stuttgart das legendäre Textilunternehmen Bleyle begründet hatte. Sie war über Jahrzehnte die Frau des Gesellschafters und großen Militaryreiters Erich Weber-Bleyle. Sie teilte seine Passion zu den Pferden und ritt selbst mit Freude. Am 26. Juli ist Anneliese Weber-Bleyle im Alter von 98 Jahren in Stuttgart gestorben. Ihr Tod geht mir nahe.
Meine frühesten Erinnerungen an Erich Weber Bleyle und seine Frau reichen zurück in die sechziger Jahre. Damals, als Jugendlicher, kam ich zum Reit- und Fahrverein am Kräherwald, bis heute zwischen Killesberg und Doggenburg gelegen. Das Ehepaar Bleyle besaß mehrere Pferde, Filou, Abendfee, Walussa und Garant beispielsweise. Erich Weber-Bleyle, Jahrgang 1911, ritt Military, aber auch Dressur und Springen. Die Vielseitigkeit bestand, damals noch, aus enormen Anforderungen von Ritten über bis zu zwanzig oder gar dreißig Kilometern.
Die leichteren bis mittelschweren Prüfungen trugen den Namen „Stubbendorf“, nach dem deutschen Olympiasieger von Berlin 1936. Erich Weber Bleyle war Gesellschafter des Familienunternehmens, trug die Verantwortung für die modische Seite, war ein sportiver, eleganter und hoch gebildeter Mann. Damals, als jugendlicher Reiter, fuhr ich mit Bleyles oft zu den Turnieren in Baden und Württemberg, betreute seine Pferde, schlief selbstverständlich im Stall. Eine wunderbare Zeit in der Rückschau. (Meinen Freund Clemens Butz, der damals mit dabei war, hab‘ ich leider aus den Augen verloren.)
Genau betrachtet, suchte Erich Weber-Bleyle als Unternehmer den Ausgleich im Reitsport. Seine Frau, stets an seiner Seite, sorgte während den Wettkämpfen für ihren Mann. Sie fieberte mit, was mitunter nicht einfach war, denn dieser Schwabe mit viel Humor und noch mehr Kampfgeist, riskierte mitunter Kopf und Kragen. Er gewann mehrmals die Landesmeisterschaften, dazu viele Prüfungen. Damals gab es ja auch Geländeritte, die als einfcher Wettkampf ausgeschrieben waren. Mit sechzig Jahren siegte er auf dem Wallach Locarno, dressurlich gearbeitet von der späteren Richterin Dorkas Winkler, in der Bielefelder Senne und in Luhmühlen.
Vor den Olympischen Spielen von München 1972 meldete sich das DOKR bei Bleyles – man wollte sein Spitzenpferd als Ersatz für die Olympiaequipe. Das Ehepaar Bleyle reagierte ganz typisch: Entweder beide oder keiner. Bleyle soll damals den berühmt gewordenen Satz geprägt haben: „Ich kann mein Pferd auch alleine zuschanden reiten!“ Was er natürlich nicht tat.
Ende der achtziger Jahre endete leider die Geschichte des so traditionsreichen Unternehmens Bleyle, das nach der Jahrhundertwende mit seinen Matrosenanzügen weltbekannt geworden war. 1990 ist Erich Weber-Bleyle gestorben – der Niedergang des Unternehmens hatte ihn schwer getroffen.
Im Südwesten erinnern sich bis heute viele Pferdeleute an Erich Weber-Bleyle und seine Frau Anneliese. Wunderbare Turnierabende, an denen das Ehepaar viele von uns jungen Leuten gerne einlud, bleiben mir unvergessen. Die Gebrüder Zack und Herbert Näher, Hans Tritschler aus Mengen, Manfred Hölzel aus Möhringen, Roland Janson, Manfred Götze, Manfred Meier, Werner Hildenbrand – sie und viele andere erinnern sich gewiss an Bleyles.
Bis zu ihrem Tod ist Anneliese Weber-Bleyle dem Stuttgarter Reiterverein treu geblieben. Mehr als 70 Jahre war sie sein Mitglied. Sie bleibt so vielen, die sie gekannt haben und die ihr begegnet sind, in guter Erinnerung. Ich werde sie nie vergessen.
Die Trauerfeier findet am Dienstag, 6. August, um 12 Uhr auf dem Waldfriedhof unterhalb von Degerloch statt.