Das 37. Weltcupfinale der Dressurreiter und das 44. Weltcupfinale der Springreiter sind heute bereits Geschichte. Welche Erkenntnisse lassen sich aus beiden Events ziehen – gut drei Monate vor den Olympischen Spielen von Paris? Aus dem Dressurfinale lässt sich aus meiner Sicht nur wenig ableiten, denn dazu war das Feld zu klein: Die Titelverteidigerin fehlte, zwei Pferde wurden wegen des Verstoßes gegen die „Blood Rule“ disqualifiziert. Im Parcours unterstrich Henrik von Eckermann auf King Edward seine Ausnahmestellung. Er ist, Stand heute, der Topfavorit auf das olympische Einzelgold.
Otto Becker, unser Bundestrainer, lobte einen aus seinem Trio, der dieses Lob sehr wohl verdient hat: Hans-Dieter Dreher aus dem südbadischen Eimeldingen, gleich gegenüber von Basel auf der deutschen Rheinseite: „Hansi hat hier über fünf Runden bewiesen, dass er mithalten kann und sich über drei Tage gut präsentiert. Für Markus und Christian hatten wir uns sicher mehr erhofft.“ Otto verbarg seine Enttäuschung nicht.
Stichwort Hansi Dreher: Der 52-Jährige Profi vom Gestüt Grenzland hat für seine Auftritte mit Elysium, seinem zwölfjährigen Holsteiner, insgesamt 166 500 Euro an Prämien kassiert. Den Besitz teilt er sich mit Manfred Tummes und der Sipe Handels-AG. Schade, dass er nach seinem starken dritten Rang zum Auftakt am Samstag im Finale zwei Abwürfe hinnehmen musste und unterm Strich 15 Strafpunkte zusammenkamen. Da wäre mehr drin gewesen, wenngleich sein fünfter Platz aller Ehren wert ist. Das Lob von Otto Becker deutet für mich durchaus darauf hin, dass Hansi Dreher zum engen Kreis derer zählt, die sich Hoffnungen auf einen der drei Startplätze in Paris machen dürfen.
Richtig ist, dass Christian Ahlmann mit Mandato und Marcus Ehning mit Coolio hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind: Christian ging mit 26 Strafpunkten durchs Ziel, Marcus sogar mit 33 Strafpunkten. Schade.
Schaut man noch genauer hin, dann zeigt sich, dass nur vier Reiter innerhalb von zehn Strafpunkten geblieben sind: Der überragende Henrik von Eckermann (0), Julien Epaillard (4), Peder Fredricson (6) und Kent Farrington (10). Weitere vier lagen zwischen 10 und 20 Punkten, neun zwischen 20 und 30, zum Ende des Feldes mit 27 Pferden ging’s hoch bis auf 50 Strafpunkte. Das ist ziemlich viel. Dass die US-Amazone Jill Humphrey ihren Chromatic verloren hat, ist tragisch – womöglich durch einen Aorta-Abriss. Den genauen Befund werden wir in absehbarer Zeit bekommen.
Bereits am kommenden Wochenende gastiert der Wanderzirkus vor dem Schloss von Fontainebleau. Auf der Meldeliste (siehe Equinis.com) stehen die üblichen Verdächtigen: Eckermann und Fredricson, Guerdat, Philippaerts, Wathelet, Epaillard, Brash, Charles, Lynch; für Deutschland sind es Dreher, Deusser, Wargers, Weishaupt, Brinkop und Schulze Topphoff. Jana Wargers hat übrigens Limbridge gemeldet – sie mied den Weltcup, startet jetzt in die olympische Saison.
Das Finale auf dem Dressurviereck bringt aus meiner Sicht nur wenig Erkenntnisse im Blick auf Paris. Das ohnehin schmale Feld wurde schmaler und schmaler. Dass gleich zwei Pferde wegen Blut am Maul disqualifiziert werden mussten, ist keine Werbung für den Sport. Da kann man die Dinge drehen und wenden wie man will. Die Zuschauer brauchten wirklich viel Geduld, denn das Finale wurde zudem durch zwei Pausen zu jeweils 30 Minuten unterbrochen.
Isabell Werth wollte nach dem Ausfall von Emilio – nur wenige Tage vor ihrer Abreise nach Riad – nicht auf den Start in Riad verzichten. Ihr Quantaz tat sich jedoch zum Auftakt im Grand Prix recht schwer. Ihr dritter Rang in der Kür kann sich sehen lassen. Gleichwohl gehe ich davon aus, dass Everdale das Finale hätte gewinnen können.
Nun, drei Monate bis Paris sind noch lang. Für die Dressurreiter geht’s Anfang Juli in der Soers um alles, sprich um die Nominierung des deutschen Trios. Aus meiner Sicht wäre es völlig falsch, zum jetzigen Zeitpunkt bereits eine bestechende Frühform zu erwarten oder gar zu verlangen. Ich bin sehr gespannt, wie sich Dalera in der Soers präsentieren wird, ebenso gespannt bin ich auf Frederik Wandres. Vermutlich werden wir in der Soers auch Everdale wiedersehen und Glamourdale erst in Paris. Und insgesamt ein deutlich stärkeres Feld als in Riad.
Nochmal zu Riad. Mitte November fliegen die Springreiter erneut nach Saudi-Arabien, weil dort die Playoffs am Ende der Global Champions Tour ausgeritten werden. Sollte Prag 2023 mit seinem Preisgeld von mehr als elf Millionen Euro der neue Maßstab sein, dann können wir uns wieder auf einiges gefasst machen. Meine Schlussfrage für heute: Werden dann die diversen Fachmedien für den internationalen Turniersport wieder zum Boykott der Berichterstattung aufrufen?