Hinterher ist man immer schlauer. Trotzdem darf ich für mich in Anspruch nehmen, nicht ganz so falsch gelegen zu haben: Was Jessica von Bredow-Werndl und ihre Dalera angeht, so hatte ich damit gerechnet, dass Monica Theodorescu und der Dressurausschuss den beiden die sonntägliche DM-Kür von Balve erlassen würden. Das taten sie nicht, entschieden stattdessen durchaus clever und nachvollziehbar: Die Fans der Nummer eins der Weltrangliste müssen beim „Tschio“ in der Soers auf die beiden verzichten – im Interesse eines höheren Zieles: In Paris möglichst zweimal Gold  wie vor drei Jahren in Tokio. Ich drücke schon mal die Daumen!

Der offizielle Text aus Warendorf ist kurz und knapp: „Dalera hat konstante Leistungen auf höchstem Niveau gezeigt. Deshalb haben wir uns entschieden, sie vorzeitig für Paris zur Nominierung vorzuschlagen und ihr Dispens zu erteilen für den CHIO in Aachen.“ So wird die Bundestrainerin zitiert.

Sodann werden diejenigen nominiert, die sich in Aachen dem nach Balve zweiten und mithin entscheidenden Olympiatest stellen müssen: Katharina Hemmer aus dem Stall von Reitmeister Hubertus Schmidt auf Denoix, Ingrid Klimke auf Franziskus, Frederic Wandres aus dem Stall Kasselmann auf Bluetooth (Reserve Duke of Britain) und Isabell Werth mit Quantaz. Reservereiter ist Matthias Rath mit seinem Destacado.

Für die Vier-Sterne-Tour in Aachen sind folgende Paare nominiert: Anabel Balkenhol für High Five, Ingrid Klimke mit Freudentänzer, Fabienne Müller-Lütkemeier mit Valencia, Raphael Netz mit Great Escape, Bianca Nowag-Aulenbrock mit Florine, Dorothee Schneider mit Dayman, Matthias Rath mit Destacado, Sönke Rothenberger mit Fendi, Frederic Wandres mit Duke of Britain und Isabell Werth mit Wendy de Fontaine.

Wer genau hinschaut und die Namenslisten für einen Moment Revue passieren lässt, der erkennt leicht: Die Gewinnerin dieser Nominierungen ist (für mich) zunächst einmal Katharina Hemmer, die 30-jährige Bereiterin aus der Schule von Reitmeister Hubertus Schmidt. Zum ersten Male international und offiziell für Deutschland – Kompliment!

Katharina bekommt also die Chance, sich auf der ganz großen Bühne zu zeigen und zu bewähren. Aus Sicht der Bundestrainerin ein Zeichen in die Zukunft – frei nach dem Motto: Wir sehen in Katharina ein starkes Paar für die Championate der nächsten Jahre! Gut gesehen, denn nach Olympia 2024 in Paris geht’s ja immer weiter.

Dass man die 17-jährige Trakehnerin Dalera schont so gut es geht, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Gleiches hat übrigens auch Frederic Wandres getan, indem er seinen Bluetooth in der Kür schonte. Was die Soers angeht, so dürfen die Fans im ausverkauften Deutsche-Bank-Stadion durchaus spannende Wettkämpfe erwarten:

Kann Ingrid Klimke mit ihrem Franziskus an die klassischen Runden von Balve anschließen und womöglich mit Jessica und Frederic nach Paris fahren? Bringt Isabell Werth ihren Quantaz überzeugend auf Kurs, was ihr in Balve nicht so klar und eindeutig gelang. Auch 2024 musste die erfahrenste Dressurreiterin der Welt von einer DM ohne Medaille nach Hause fahren.

In der Vier-Sterne-Tour wird Isabell die von Andreas Helgstrand übernommene Wendy einsetzen. Sie selbst sieht für sich durchaus die Chance, den Sprung ins Olympia-Trio zu schaffen – entweder mit Quantaz oder mit Wendy. Ich sag‘ mal so: Die Nominierung für die Olympischen Spiele basiert auf den zwei Pflichtstarts in Balve und in Aachen. Wendy war nicht in Balve, geht in Aachen (Stand heute) die Vier-Sterne-Tour. Ich beneide die Bundestrainerin und „ihren“ Dressurausschuss nicht.

Schauen wir mal kurz auf die aktuelle Weltrangliste, die in der vergangenen Woche herausgekommen ist, so sehen wir da: Platz eins nach wie vor für Jessica von Bredow-Werndl, Rang zwei für Isabell Werth. Platz drei für Littie Frey, die wahrscheinlich mit Everdale in die Soers kommen wird – gewiss nicht mit Glamourdale. Hinter Nanna Merrald auf vier erscheint Charlotte Dujardin auf fünf. Wen sie in Aachen reitet, vermag ich heute nicht zu sagen. Wahrscheinlich nicht Imhotep.

Hinter Patrick Kittel, Catherine Laudrup-Dufour und Emmelie Scholtens finden wir Frederic Wandres und Matthias Rath. Platz 14 und 15 für Raphael Netz und Sönke Rothenberger. Platz 22 für Bianca Nowag-Aulenbrock, Rang 24 für Ingrid Klimke. (Ingrid startet am Wochenende bei der DM in Luhmühlen. Hoffentlich verzichtet sie auf die Vielseitigkeit in der Soers. Mit dem Versuch dort auf zwei Hochzeiten zu tanzen hat sie bekanntlich keine so guten Erfahrungen gemacht.)

Die Ränge 27 und 28 auf der Weltrangliste schließlich für Katharina Hemmer und Dorothee Schneider. Platz 40 für Fabienne Müller-Lütkemeier.

Kleiner Nachsatz zu Balve: Seit 1984 finden dort Deutsche Meisterschaften statt. Jetzt hat man die notwenigen Verträge bis einschließlich 2030  verlängert. So wissen alle, wie und wo sie dran sind. Das ist gut so. Richtungsweisend ist für mich auch die Tatsache, dass man vor Schloss Wocklum sehr viel übrig hat für den U25-Nachwuchs auf dem Viereck.