Wenn man so lange wie ich im hippologisch-medialen Geschäft ist, nämlich etwas mehr als fünf Jahrzehnte, dann neigt man zu der selbstgewissen Annahme, man kenne einfach alles und jeden – einen wie mich könne nix mehr überraschen, aber auch gar nix! Blödsinn! Der niederländische Dressur- und Zuchtstall des Ehepaars van Olst nebst ihrer Topreiterin Littie Fry schaffen es immer wieder selbst die Veteranen wie ich einer bin in Staunen zu versetzen.
Aber sehen Sie selbst. Unter den Internetadresse www.aachendressagedays.de und/oder www.equivents.de findet sich die Nachricht dieser Pfingsttage: Littie Fry (28) und ihr kapitaler Rapphengst Glamourdale (13) kommen in die Soers! Nein, nicht zum „Tschio“ Anfang Juli, nein: am 21. und 22. Mai, also am Dienstag und Mittwoch dieser neuen Woche!
Ja wie jetzt? Also das ist so: Das Aachener Ehepaar Dahmen, weithin bekannt für ihre tiefe Affinität zur Dressur, veranstalten schon seit einem Jahrzehnt die „Aachen Dressage Days“. In den letzten zwei Jahren musste die Dahmens mit ihrem Turnier zum Stall der Familie Kasselmann nach Hagen am Teutoburger Wald ausweichen – dieser Tage kehren sie in die Aachener Soers zurück, veranstalten dort unter anderem zwei Dressuren, also Grand Prix und Grand Prix Spezial.
Apropos Spezial. Knapp dreißig Aktive aus 16 Nationen haben genannt, viele von ihnen möchten diese Chance nutzen, sich quasi auf den letzten Drücker für die Spiele von Paris zu qualifizieren. Tja, was hat das nun mit Littie Fry und ihren Glamourdale zu tun, die ja für Paris quasi gesetzt sind, falls der Hengst fit und gesund bleibt, was wir alle hoffen?
Einfache Antwort: Anne van Olst und Littie Fry haben dieses familiäre Turnier im berühmten Deutsche-Bank-Stadion von Aachen dazu ausersehen, sich auf Paris vorzubereiten. Ein Grand Prix und ein Spezial vor großem Publikum kommt ihrem Plan entgegen: Dabei spielt es überhaupt gar keine Rolle, dass die Dotierung in beiden Prüfungen nur jeweils 2500 Euro beträgt, davon 625 Euro für das tagesbeste Gespann!
Nebenbei bemerkt: die Decktaxe für Glamourdale liegt bei 2200 Euro. Wieviele Stuten er heuer gedeckt hat, bleibt das Betriebsgeheimnis seiner Besitzer. Ich vermute mal ganz mutig, dass der Hengst deutlich mehr verdient als nur seinen eigenen Hafer. Und in Paris soll er schaffen, was ihm bei der EM vor einem Jahr in Riesenbeck, nicht gelungen ist: Nämlich das Einzelgold zu holen wie vor zwei Jahren bei der WM im dänischen Herning.
Wir erinnern uns: Bei der EM auf Ludgers Beerbaums Geläuf in Riesenbeck vermochte Glamourdale nicht restlos zu überzeugen. Der Hengst wirkte zunächst müde und etwas übertrainiert. Diesjahr haben Anne van Olst und Littie Fry offenbar eine andere Taktik bzw. Vorbereitung. Wobei ich es übrigens nicht sonderlich fair finde, dass man im „hippologische Blätterwald“ die Olympiasaison damit begonnen hat, an Littie Frys Reiterei herumzumäkeln. Aus unserer deutschen Sicht hat derlei Kritik ein Geschmäckle wie wir Schwaben sagen.
Zugegeben, ihre Pferde, also auch Everdale, gehen phasenweise etwas zu eng im Hals – gleichwohl gefällt mir Litties Mut, kräftig und riskant vorwärts zu reiten! Leute, die mit angezogener Handbremse agieren, haben wir genug. Ich freue mich jedenfalls, wie viele viele andere auch, auf das zu erwartende Duell zwischen Dalera und Glamourdale. Und wer live sehen möchte, in welcher Form Glamourdale jetzt läuft, zwei Monate vor Paris, der soll halt am Dienstag und Mittwoch in die Soers pilgern – der Eintritt ist frei!
Schade, dass sich das Pfingstturnier in Wiesbaden und die Dressage Days ein wenig ins Gehege kommen. Auf der Meldeliste finden wir immerhin auch Matthias Rath, Isabel Freese, Judy Reynolds und allerhand andere, die man nicht oft sieht. Kurzum, nicht immer nur die gleichen Gesichter. Allein das ist schon eine Qualität an sich.