Die eine, nämlich Jessica von Bredow-Werndl, kehrt nach einigen „Anlaufschwierigkeiten“ jetzt endlich  zurück in den großen Dressursport. Der andere, nämlich Ludger Beerbaum, kokettiert einmal mehr mit seinem Abschied aus dem Springsport, der nach eigener Aussage „immer näher rückt“. 

Aus der südfranzösischen Gourmet- und Reitermetropole Lyon kommt heute die offizielle Pressemeldung über das traditionelle „Equita Lyon“ vom 26. bis zum 30. Oktober. Im Springen und in der Dressur geht’s in den dortigen Messehallen um Punkte für das Weltcupfinale in Omaha/Nebraska im April 2023.  Erwartungsgemäß vermelden die Franzosen voller Stolz: Jessica von Bredow-Werndl, aktuell die führende Dressurreiterin der Welt, kehrt bei uns zurück auf die internationale Bühne, sie kommt mit ihrer Siegerstute Dalera, um in den Weltcup 2022/23 einzusteigen.

Na endlich, kann man da nur sagen! In Ludwigsburg, vor den Toren von Stuttgart, wäre man verständlicherweise froh und glücklich gewesen, das Comeback von Jessica vor dem charmanten Seeschloss Monrepos im September feiern zu können – aber nix war’s, wie wir alle wissen. Jessicas Rückkehr aus dem Mutterschutz gestaltete sich recht schwierig. Sie hatte am 18. März beim Weltverband FEI ihren Mutterschutz beantragt – strikt nach den FEI-Paragraphen bestand man also in Lausanne darauf, dass dieser Mutterschutz exakt sechs Monate andauert: bis zum 18. Oktober, also dem Dienstag dieser Woche.

Jessica hat sich bis dato nicht zu ihrem Start in Lyon geäußert, gleichwohl darf man fest davon ausgehen, dass sie sich riesig freut. Und ihre Fans auch! Ihr Bruder Benjamin, der bei der WM in Herning so glanzvoll an die Weltspitze ritt, kommt ebenfalls nach Lyon. Auch Isabell Werth und  Dorothee Schneider haben in Lyon gemeldet. Bis auf Frederik Wandres ist das Bronzeteam von Herning in Lyon komplett. Stand heute, versteht sich.

Apropos Herning. Dinjia van Liere kommt auch, ebenso Patrik Kittel sowie Juan Matute, der feurige Spanier. Den Leuten wird also allerhand geboten auf dem Viereck in Lyon. Kein Wunder, dass man in meiner Heimatstadt Stuttgart darauf hofft, diese Besetzung auch wenige Tage später beim German Master vom 9. bis 13. November im Haus zu haben.

Nun zu Ludger Beerbaum. Etwas länger als vier Minuten dauert das heitere Filmchen, das seit Tagen durchs Internet galoppiert. Ludger steht am Straßenrand, als wolle er zum Turnierplatz trampen. Die typische Handbewegung der Tramper erspart er sich – alles ist abgekartet: Im Fonds des noblen Gefährts beantwortet der Meister allerhand persönliche Fragen, die eine Frauenstimme aus dem Off ihm stellt. Beispiel: „Womit hast du dein erstes Geld verdient!“ Verblüffende Antwort: „Mit dem Kastrieren von Ferkeln!“ Ehrlich jetzt? Ja, ehrlich! Dazu muss man wissen, dass Ludgers Vater Verwalter auf einem großen Gut in Adelebsen bei Göttingen war – also ist sein ältester Sohn mit Tieren aufgewachsen, nicht  nur mit Pferden. Der Mann ist, wie wir längst wissen, ein Multitalent.

Dass er sein BWL-Studium hat sausen lassen, als ihm Paul Schockemöhle das Angebot machte, bei ihm Springpferde zu reiten, dürfte hinlänglich bekannt sein. Dass er vor gut zehn Jahren in einem Interview, dass ich für die Stuttgarter Zeitung mit ihm machte, den berühmten Satz sagte „Wenn eine fünf davor steht, möchte ich keine Turniere mehr reiten!“, haben wahrscheinlich viele nicht mehr auf dem Schirm. Jetzt, ganz aktuell, hat Ludger diesen Satz um ein durchaus wichtiges Detail ergänzt, oder sagen wir besser, verändert: „Im nächsten August werde ich sechzig – wenn also die Sechs davor steht, möchte ich nicht mehr Turniere reiten!“

Ob er’s diesmal wahr macht oder nicht – warten wir’s geduldig ab. Vielleicht gibt er ja in zehn Jahren wieder so ein Interview im Fond eines noblen Wagens und sagt dann: „Wenn bald eine Sieben davor steht, steig ich endgültig vom Pferd!“ Wie Ludger auch entscheidet – uns soll’s recht sein! Ad multos annos!