Was für ein Tag im Schlosspark von Versailles: Jessica von Bredow-Werndl und ihre 17-jährige Trakehnerin Dalera sind mit 90,093 Punkten zum zweiten Male Olympiasieger im Kürfinale der Olympischen Spiele. Isabell Werth führt die erst zehnjährige dänische Stute Wendy mit 89,614 Prozent mit überragender Reitkunst zur Silbermedaille – es ist ihre sechste. Bronze geht an Littie Fry mit ihrem Hengst Glamourdale und 88,971 Prozent. Cathrine Laudrup-Dufour mit Freestyle kann ihren letzten Startplatz nicht nutzen, wird mit 88,093 Prozent nur Fünfte! Jessica sagt: „Dalera geht im nächsten Jahr noch zwei oder drei Turniere.“ 

Spannender, ja dramatischer geht es nicht. 18 Toppferde, qualifiziert aus dem Grand Prix Mitte der vergangenen Woche, dazu ausverkauftes Haus mit 15 000 Besuchern aus allen Teilen der Welt. Und auf dem Viereck die absolute Weltelite. Jessica von Bredow-Werndl hat nach dem gestrigen, hauchdünnen Teamgold mit Kampfgeist und höchster Konzentration die mit Abstand schwerste und beste Kür geliefert. Zur Musik der französischen Kultsängerin Edith Piaff glückten ihr höchste Schwierigkeiten. Man glaubt kaum, dass ihre Dalera bereits 17 Jahre alt ist. Jessica  sprang ihrem Mann in die Arme, als das enttäuschende Resultat ihrer dänischen Herausforderin auf der Anzeigetafel erschien. Was das der letzte Auftritt von Dalera, tritt sie auf dem Höhepunkt ihrer Karriere ab?

Die Gewinnerin dieses denkwürdigen Sonntags in Paris heißt Isabell Werth: Chapeau! Ihre siebten Spiele, gestern ihre achte Goldmedaille und heute zur Musik von „Oh, Wendy!“ Alles auf eine Karte gesetzt, wie schon so oft. Überragende Reitkunst nicht nur heute, sondern seit Januar in der Umstellung dieses Pferdes aus dem Beritt des Dänen Andreas Helgstrand, der sich um seinen guten Ruf gebracht hat. Der französischen Mitbesitzerin des Pferdes kamen die Tränen. Anderen auf der „Kiss und Cry“-Tribüne auch. Das sechste  Silber wird Isabell nur wenig interessieren – sie hält nix von Rekorden und Statistiken.

Bronze schließlich für Littie Fry, die Doppel-Weltmeisterin von Herning 2022,  auf ihrem Rapphengst Glamourdale. Den Glanz, den dieser niederländische Hengst noch in Aachen ausstrahlte, besaß der an diesem olympischen Wochenende leider nicht mehr. Beide galten als Mitfavoriten auf den Sieg.  Gestern Teambronze, heute Einzelbronze: Chapeau!

Bei der Siegerehrung führt Isabell Werth Regie, fängt auf einmal an zu tanzen – die anderen beiden machen mit. Ein tolles Bild für die hippologischen Geschichtsbücher. Vergessen wir nicht, Jessica war vor mehr als einem Jahrzehnt eine Schülerin von Isabell. Sie selbst hat heute mit Wendy eine Silbermedaille erkämpft – ihre Stute, in deren Besitz Madeleine Winter-Schulze steht, ist ein Glücksfall für die Zukunft. In einem Jahr gibt’s die nächste EM, in zwei Jahren die nächste WM in Aachen.

Unterstellt, dass Dalera ihre Laufbahn alsbald beenden wird – Monica Theodorescu kann froh und glücklich sein, dass ihre langjährige Teamkameradin jetzt nicht aufhört, sondern mit Wendy neue Qualität ins deutsche Team bringt. Verständlich, dass Fredric Wandres nur Rang 13 einnehmen konnte nach einer soliden Kür. Sein Bluetooth wirkte etwas müde, wie einige andere Pferde auch. Hut ab vor seiner Leistung!

Der undankbare Platz vier blieb heute nur für die Niederländerin Dinja van Liere mit ihrem Hermes mit 88,432 Prozent. Fünfte, wie gesagt,  die hoch  favorisierte Dänin Catherine Laudrup-Dufour auf  Freestyle mit 88,093 Prozent. Rang sechs für Carl Hester auf Fame mit 85,161 Prozent. Rang sieben fü den Dänen Daniel Bachmann auf Vayron mit 84,850 Prozent.

Acht für Becky Moody auf ihrem Jagerbomb nach feiner Leistung. Sie ist die Entdeckung dieses Kürsonntags. Gestern Bronze mit dem britischen Team. Sie hat damit einen Stammplatz erkämpft, denn Charlotte Dujardin wird so rasch nicht wiederkehren dürfen ins helle Rampenlicht.

Isabell sagt: „Diese Spiele waren einfach fantastisch, sind noch fantastisch! Hier zu sein und mit Gold und Silber heimzufahren, sprangt alle meine Erwartungen. Und dann noch diese Atmosphäre, diese Zuschauer, das Ganze hier in Paris. Ich kann nur sagen, das alles ist unglaublich. Ich wäre mit jeder Medaille hier glücklich gewesen, natürlich auch mit der bronzenen. Es war nicht zu erwarten, dass Wendy und ich und so entwickeln würden, dass es zu einer Einzelmedaille reicht.

Und Jessica: „Heute gibt’s nur eines: Ich bin dankbar und überwältigt. Das beste in unserem gemeinsamen Leben. Heute wars‘ wieder diese perfekte Einheit. Ich hab meinem Pferd das Gefühl gegeben, dass alles gut ist wie es ist. Es war überwältigend. Ich bin stolz auf Isabell und stolz auf uns. Wir waren heute ein perfektes Team.“ Auf die Frage, wie es mit Dalera weitergeht, antwortet sie: „Wenn ich das heute hier zur Abschiedsrunde erklärt hätte, dann hätte ich den ganzen Ritt über nur geheult!“ Das Karriereende also im kommenden Jahr.

Und Frederic Wandres: „Monica hat mir beim Reinreiten gesagt, denk dran, du bist Olympiasieger seit gestern. Also es ist wirklich das höchste Gefühl, das ich mir irgendwie vorstellen kann. Heute hatte ich mir vorgenommen, diese Runde wirklich zu genießen. Ich bin ein Kopfmensch. Das ganze Jahr schon geht’s immer für unser Team. Man hat die Konkurrenz im Auge, man muss aufpassen und performen – nichts darf schief gehen. Das Ergebnis heute ist mir nicht egal, aber jetzt ist es egal!“