In zwei Stunden geht es los. Am Reitstadion von Versailles hat der Tag bestimmt schon längst begonnen. Heute kann vor dem weltberühmten Schloss erneut Sportgeschichte geschrieben werden: Wenn unser Trio Gold holt, was ich schwer hoffe, dann wäre das für Isabell Werth ihre achte Goldmedaille. Damit zöge sie an der Kanutin Birgit Fischer vorbei, die wie Isabell siebenmal Gold gewonnen hat. Isabell wäre dann die erfolgreichste deutsche Olympionikin der modernen Spiele seit 1896! Für Jessica von Bredow-Werndl wär’s das dritte Gold und der klare Fingerzeig, dass sie morgen als Favoritin ins Kürfinale startet.

Wenn ich an diesem frühen Samstag in die Annalen der olympischen Dressur blicke, speziell auf die Mannschafts-Ergebnisse, dann kommt mir wieder eine  Menge Historisches in den Sinn: 1912 war das Reiten erstmals olympisch, 1928 in Amsterdam sicherten sich drei Deutsche erstmals die Goldmedaille: Carl-Friedrich von Langen mit Draufgänger – der Pferdename war Programm für den Landadeligen aus dem Osten. Mit ihm ritten Hermann Linkenbach und Eugen von Lotzbeck. Ihre Namen sind leider vergessen.

Bei den NS-Propaganda-Spielen von Berlin 1936 siegten Heinz Pollay auf Kronos, Friedrich Gerhard auf Absinth und Hermann von Oppeln-Bronikowski auf Gimpel. Pollay holte auch das Einzelgold, Gerhard holte Silber.

Bei den grandiosen Reiterspielen von Stockholm 1956 reichte es „nur“ zu Silber für Liselott Linsenhoff auf Adular, Anneliese Küppers auf Afrika und Hannelore Weygand auf Perkunos. Erstes Gold glückte 1964 in Tokio: Harry Bold mit Remus, Reiner Klimke mit Dux und Josef Neckermann mit Antoinette. 1972, ausgerechnet bei den Heimspielen in München, siegten die  Russen – vielleicht die bitterste Niederlage für unsere Reiter. Liselott Linsenhoff mit Piaff, Karin Schlüer mit Liostro und Josef Neckermann mit Venetia blieb nur Silber. Linsenhoff und Piaff wurden Einzelsieger! (Daher der Piaff-Preis für die Nachwuchstalente.)

Ich kann hier und heute wirklich nicht alle aufzählen, die zwischen München und heute Dressurgold für Deutschland geholt haben. Bitte um Verständnis! Nur einige wichtige Namen ohne Anspruch auf Vollständigkeit: Gabi Grillo, erst vor Monaten gestorben. Herbert Krug und Uwe Sauer. Heike Kemmer und Ulla Salzgeber, Alexandra Simons-de Ridder und Heike Kemmer. Sönke Rothenberger und Dorothee Schneider. Klaus Balkenhol und Martin Schaudt, mein schwäbischer Landsmann. Kristina Sprehe nicht zu vergessen. Und auch nicht Nicole Uphoff. Natürlich Monica Theodorescu, die Bundestrainerin, die bei den Spielen in Versailles wieder einen tollen Job macht: Chapeau!

Zurück in die Jetztzeit: Um 10 Uhr geht das erste Pferd, um 11.30 Uhr kommt Frederic Wandres, um 13.25 Uhr Isabell Werth und um 15.25 Uhr kommt Dalera – als letztes Pferd. Gleich davor geht Freestyle mit Cathrine Laudrup-Dufour im Sattel. Unser Trio gegen die Dänen – dieses Duell steht heute im Blickpunkt. Langweilig wird’s auf keinen Fall.