Das Programm der olympischen Reiterspiele konnte an diesem Dienstag nicht besser sein: Von elf Uhr bis Halbfünf ein Grand Prix zum Zurücklehnen und Durchatmen nach diesem historisch-dramatischen Montag mit dem sensationellen dritten Einzelgold für Michael Jung. Wichtig zu wissen: 60 Paare bestreiten die olympische Dressur, heute waren 30 am Start, morgen folgen die zweiten 30. Worum geht’s? Nur die besten zehn Teams kommen weiter in den Grand Prix Spezial am Samstag. Und die punktbesten 18 Reiter sind qualifiziert für die Kür um die Einzelmedaillen am Sonntag. Alles klar? 

Liebe Freunde von Borgmanns Blog, bitte fragt mich jetzt nicht, wer dieses  verkrampfte Reglement erfunden und durchgesetzt hat. So macht man die Dressur noch komplizierter, als sie ohnehin schon ist. Und natürlich schwebt über dem Dressurstadion von Versailles der Fall Charlotte Dujardin wie ein riesiger dunkler Schleier. Immerhin sitzen die Fans auf den Tribünen und lassen sich bei mehr als 30 Grad Celsius in der prallen Sonne braten.

Wir sollten demütig sein und uns über jeden freuen, der noch ins Stadion kommt. Die Parole in dieser Woche der olympischen Dressur muss lauten: Zieht alle an einem Strang, damit wenigstens etwas an Vertrauen zurückgewonnen wird!

Also schaue ich jetzt bei Halbzeit mal locker-lässig auf den Ergebniszettel nach der Hälfte des Feldes: Nanna Skodborg und ihr Blue Horse Zepter liegen mit guten 78,028 Prozent an der Spitze, gefolgt von Dinja van Liere mit Hermes und 77,764 Prozent. Platz drei vorläufig für Carl Hester auf Fame und 77,345 Prozent.

(Mein Freund Kollege Michael Rossmann von der dpa sagte mir vorhin, Hester habe ihm erklärt, er hoffe darauf, dass Charlotte Dujardin auf die große Bühne zurückkommt – stärker als zuvor. Das könnte vielleicht in zwei Jahren zur WM in Aachen sein. Aber bis dahin fließt noch ziemlich viel Wasser die Themse herunter. Hester war es übrigens, der als Mitglied im Dressurreiter Clubs eine scharfe Kritik an seiner Schülerin mit unterzeichnet hat.) An Platz vier heute der Däne Daniel Bachmann Andersen mit einer starken Runde auf Vayron und 76,910 Prozent.

Rang fünf nach gutem, solidem Ritt für Frederic Wandres mit Bluetooth.  76,118 Prozent. Er sagte hernach: „Ich war sehr happy. Ich war jetzt der erste deutsche Starter. Ich war, das kann ich im Nachhinein ja jetzt sagen, ganz happy über die Startreihenfolge. Dass ich jetzt als erster rein bin und für uns alle mal ein bisschen Stadionluft schnuppern konnte und gucken, wie es so steht. Ich hatte keinen technischen Fehler. Ich hatte eine Kleinigkeit zwischen den Lektionen im Galopp. Das schlägt sich auch irgendwo in den Noten wieder. Das müssen die Richter mit bewerten. Das ist klar. Aber es war nicht so, dass eine Lektion kaputt war. Das war ein Mini-Wake-Up für Samstag. Aber das ist für mich easy abzustellen. Alles andere war gut. Er hat schön piaffiert, ich konnte gut zum Schritt durchparieren. Er ist gelassen Schritt gegangen und im Trab hatte ich ein schönes Gefühl. Die Hitze macht uns nichts aus, die kennen wir von unseren Turnieren in Florida.“

Weiter in der Rangierung: Becky Moody, die Ersatzreiterin für die geächtete Charlotte Dujardin, zum ersten Male auf der großen Bühne, hat ihre Sache auf dem zehnjährigen Jagerbomb von Dante Weltino gut gemacht, bekam 74,317 Prozent. Schließlich noch Patrick Kittel und sein Touchdown mit 73,680 Prozent auf Rang acht. Alles vorläufig, wie schon gesagt.

Auffällig übrigens für mich, der in Düsseldorf geborene Berufsreiter Marcus Orlob auf Jane für die USA, wo er in Florida einen Reitbetrieb betreibt. Mit hohen und recht harten Händen und leicht zurückgelehntem Oberkörper am Start – plötzlich die Glocke und die Chefrichterin mit den weißen Handschuhen: etwas Blut am Hinterbein. Das Aus! Die Amerikaner sind damit raus aus der Teamwertung. Auf den Zwischenstand heute Abend gehe ich nicht ein, weil manche Teams heute zwei Leute am Start hatten, andere nur einen Reiter.

Wichtiger Blick auf morgen: Um 10 Uhr eröffnet Littie Fry mit Glamourdale den Reigen des zweiten Tages. Isabell Werth startet um 11.25 Uhr, Jessica und ihre Dalera, die Olympiasieger von Tokio, beschließen diesen zweiten Tag um 15.20 Uhr. Medaillen gibt’s zwar noch nicht, wohl aber einen Vorentscheid über die sportliche Reise an den kommenden Tagen.