Das war mal wieder nix für schwache Nerven! Das 15. Dessurgold für die deutsche Equipe seit 1912, als der Reitsport ins olympische Programm kam, haben Jessica von Bredow-Werndl auf Dalera, Isabell Werth auf Wendy und Frederic Wandres auf Bluetooth mit 235,790 Prozentpunkten erkämpft – hauchdünn vor den Dänen mit 235,669 Prozent. Bronze geht an die Briten mit 232,492 Prozent. Isabell Werth gewinnt ihre achte Goldmedaille, überflügelt die Kanutin Birgit Fischer und ist von heute an Deutschlands erfolgreichste Olympionikin seit der Einführung der modernen Olympischen Spiele 1896. Zweimal Hut ab! Im ZDF sagte Isabell soeben: „Ich reite weiter. Das Ende meiner Karriere kommt  jedenfalls nicht heute und auch nicht morgen!

Mit dem letzten Ritt des Tages, am Ende des 30 Feldes mit 30 Pferden, machte es Jessica von Bredow-Werndl mit ihrer 17-jährigen Trakehnerin Dalera noch einmal spannend: Eine missglückte erste Piaffe, in der Dalera nicht so recht rhythmisch beginnen und in die Passage übergehen wollte. Prompt sank die laufende Anzeige mit den Noten: 79,835 Prozent waren das Ziel, das Jessica erreichen musste, um die Goldmedaille zu erkämpfen. Erst im letzten Drittel der Aufgabe holten die beiden wieder auf – Galoppsprung für Galoppsprung. Am Ende knapper als knapp – aber der verdiente Sieg aus meiner Sicht.

Die Dänen, gecoacht von Reitmeister Wolfram Wittig und angeführt von Catherine Laudrup-Dufour auf Freestyle, früher geritten von Charlotte Duardin, leisteten sich einen Fehler von Catherine in den Einer-Galoppwechseln. Littie Fry mit ihrem Glamourdale ließen bei den Piaffen leider zu wünschen übrig, mussten am Ende mit Bronze zufrieden sein.

Jessica sagt: „Es war emotional ziemlich anstrengend. Das kann ich auf jeden Fall sagen. So spannend wollte ich es nicht. Dalera hat sich hammermäßig angefühlt. Die war on fire und trotzdem totel konzentriert. Dann gab es dieses riesengroße Missverständnis. Das war sehr teuer. Beim Übergang vom Schritt zur Piaffe. Das hat uns richtig weggehauen. Und dann ging es zur Aufholjagd. Also, es hat zum Gold gereicht. Aber natürlich durfte danach nichts mehr passieren.“

Frederic Wandres sagte: „Isabell hat es gar nicht mehr ausgehalten vor Spannung. Sie musste rausgehen.“ Raus aus dem Stadion. Jessica ergänzt: „Freddy und Isabell hatten falsch gerechnet, deshalb sind sie rausgegangen, weil sie glaubten, es reiche nicht mehr.“ Und Jessica: „Also die Goldmedaille für unserer Mannschaft in Tokio, das war ein Kinderspiel verglichen mit heute. Der Druck war heute viel größer!“  “

Isabell Werth ritt glanzvoll mit der erst zehnjährigen dänischen Stute Wendy: 79,894 Prozentpunkte. Fredric Wandres, der heute sein erstes olympischen Gold gewann, hatte mit 75,942 Prozent solide begonnen. Alle drei sind für das Kürfinale morgen bereits qualifiziert. Die Spannung bleibt also erhalten.

Der Jubel im deutschen Lager will kein Ende nehmen. Angesichts des eisigen Windes, der dem Dressursport seit Monaten ins Gesicht weht, war das heute in Versailles eine Werbung für diesen Sport. Isabell sagte: „Heute ist alles Super! Ich muss mit Birgit Fischer mal einen trinken gehen!“ Fischer antwortete über die Agentur: „Ich gönne es Isabell von Herzen!“

Unerwartet stark zeigte sich die junge Britin Betty Moody mit ihrem Jagerbomb. Sie ritt auf 76,489 Prozent, war ein starker Ersatz für die international in Ungnade gefallene Charlotte Dujardin. Nicht zu vergessen: Jessica von Bredow-Werndl hat heute ihre dritte Goldmedaille gewonnen nach ihren beiden von Tokio 2021. Morgen in der finalen Kür wird sie versuchen, das vierte Gold zu sichern. 18 Pferde sind am Start, qualifiziert im Grand Prix.

Die weitere Platzierung nicht zu vergessen: Rang drei für die Niederlande mit 221,48 Prozent, Platz vier für die aufstrebenden Belgier mit 215,714 Punkten, Rang fünf für die bejubelten Gastgeber mit 215,289 Zählern. Dann die Schweden, die nach der Enttäuschung gestern im Parcours auch heute keinen guten Tag hatten: 212,811 Punkte. Achter die Finnen mit 212,036. Rang neun für die Österreicher mit 211,505. Zehnte die Australier mit 207,203.

Monica Theodorescu sagte gerade: „Es fühlt sich etwas unrealistisch an in diesem Moment. Ich bin unheimlich stolz auf meine Reiterinnen und auf Freddy! Ich hatte etwas Schnappatmung während Jessi auf dem Viereck war. Aber sie hat es super zu ende gebracht. Sie hat ihre Nerven behalten. Dalera wollte angaloppieren, aber Jessie hat sie pariert. Ansonsten war sie überragend! Jeder von den dreien hatte eine Kleinigkeit drin: Isabell hat einen Einerwechsel auf der Mittellinie nicht ganz durchgesprungen. Freddy hatte eine Schwäche in der Pirouette. Alle drei sind ganz toll geritten.“ Dann rief die Bundestrainerin viermal das Wörtchen knapp!!!!

Später mehr von mir an dieser Stelle!