Wenn die Olympischen Spiele immer näher und näher rücken, dann kommt in allen teilnehmenden Ländern der Welt diese wichtige, ja einzigartige Frage auf: Wer trägt beim Einmarsch zur Eröffnungsfeier die Nationalfahne? Eine größere Ehre ist für einen Sportler kaum denkbar. Unsere Schwarz-Rot-Goldene Fahne wird übrigens von einer Frau und von einem Mann getragen. Die Abstimmung läuft via Internet unter www.teamdeutschland.de Nominiert ist auch Jessica von Bredow-Werndl.
Was die Fahnenträger aus dem Lager der Reiter angeht, so haben wir bei den Spielen der Nachkriegszeit eine gute Rolle gespielt. Und das nicht von ungefähr, denn die Reiter sind, gesehen auf die Spiele seit 1952, die erfolgreichste olympische Disziplin innerhalb des deutschen Sports.
1956, als die olympischen Reiterspiele nach Stockholm vergeben wurden, weil die regulären Spiele im fernen Melbourne stattfanden, durfte der Holsteiner Fritz Thiedemann die Fahne tragen. Er hatte übrigens vier Jahre zuvor in Helsinki im Springen wie in der Dressur jeweils eine Medaille gewonnen. 1960 bei den Spielen in Rom wurde Fritz Thiedemann erneut auserwählt, die Fahne für die gesamte deutsche Olympiamannschaft zu tragen.
1976, bei den Spielen in Montreal, wurde die Ehre des Fahnenträgers Hans Günter Winkler zuteil, der 1956 in Stockholm sowie 1960 in Rom jeweils Gold gewonnen hatte. 1988 in Seoul war Reiner Klimke an der Reihe, der Dressur-Olympiasieger von Los Angeles 1984.
2004 durfte Ludger Beerbaum die Fahne tragen in Athen. Leider kein gutes Omen für ihn: Zwar gewann die deutsche Equipe der Springreiter zunächst die Goldmedaille – aber leider war Ludgers Hengst Goldfever wegen einer eigentlich völlig harmlosen kleinen Wunde einer damals als „unerlaubte Medikation“ eingestuften Behandlung unterzogen worden. Das Gold wurde aberkannt.
Seither hat kein Reiter mehr die deutsche Fahne getragen. Ingrid Klimke scheiterte bei der Vorauswahl für Rio 2016, bekam nicht genügend Stimmen. So ähnlich wird es wohl leider auch Jessica von Bredow-Werndl jetzt ergehen, denn ihre Konkurrentinnen sind Alexandra Popp, die als Mannschaftskapitänin des Frauenfußballteams in Rio die Goldmedaille holte. An zweiter Stelle steht Anna-Maria Wagner aus dem Judosport zur Abstimmung.
Bei den Männern sind folgende drei Aktiven nominiert: Der Tennisspieler Alexander Zverev, Olympiasieger von Tokio 2021, der Basketballer Dennis Schröder, Mannschaftskapitän des deutschen Weltmeisterteam von 2023 und ein Star der NBA, schließlich der Schütze Christian Reitz, Olympiasieger von Rio 2016. Für Reitz ist Paris seine fünfte Olympiateilnahme.
Weshalb Michael Jung, der Olympiasieger von London und Rio in der Vielseitigkeit, nicht nominiert wurde? Na klar, weil nur ein Athlet aus einer Sportart vorgeschlagen werden kann. Also lassen wir gerne Jessica den Vortritt. Meine Vermutung, dass Alexandra Popp die Fahne tragen wird, ist wohl nicht zu weit hergeholt. Auch für Michael Jung gäb’s gegen Zverev und Schröder keine Erfolgschance.
Finden wir uns also damit ab, dass unsere Aktiven sichere Medaillenlieferanten sind. Aber das mit der Fahne bei der Eröffnungsfeier, das bleibt uns wohl auf Jahre hinaus verwehrt. Der Sport mit den Pferden hat leider deutlich an Reputation verloren. Also ist allein schon die Nominierung eine große Ehre für Jessica! Chapeau!