Richard Vogel meldete sich gleich nach seinem Ritt mit drei Abwürfen zu Wort, um seinen Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Die Schuld geht total auf mich! Wir müssen daraus lernen und müssen es besser machen!“ Morgen, im olympischen Einzelfinale, hat Richard Vogel dazu leider keine Gelegenheit: Von den 74 gestarteten Pferden, nach einem Wettkampf über vier Stunden, steht fest: Nur Christian Kukuk mit Checker und Philipp Weishaupt mit Zineday stehen im Finalt der besten 30 Reiter aus der heutigen Qualifikation. Beide leisteten sich je einen Abwurf. Philipp zieht als 30. und damit letzter in dieses Springen mit einem Stechen ein.
Im Augenblick, um halbsieben schwäbischer Zeit, hab‘ ich noch keine Stimme von Otto Becker. Aber soviel sag‘ ich voraus: Er kann mit dieser Teamleistung von heute wieder nicht zufrieden sein. Es herrscht nicht nur bei mir, sondern gewiss auch bei den vielen Fans in der Heimat die herbe Enttäuschung. So darf ein deutsches Trio nicht auftreten! Zugegeben, morgen geht’s wieder bei null los. Aber ich habe heute, wie schon im Teamfinale, den Kampfgeist vermisst und das Professionelle.
Beispielsweise Steve Guerdat und Martin Fuchs, nach dem Debakel in der Qualifikation, beim Teamfinale nur auf der Tribüne – heute dagegen zwei feine Nullrunden mit Leone Jei und Dynamix! Der letzte Name ist für die Eidgenossen Programm. Ich geh‘ fest davon aus, dass die Topleute der Schweiz morgen dick dabei sind. Ihr Ersatzmann Edouard Schmitz konnte allerdings nicht überzeugen, verpasste das Finale um die Medaillen.
Fangen wir mit dem Positiven an, also mit denen, die morgen um Gold, Silber und Bronze reiten: Epaillard, Sweetnam, Coyle, Smolders, Fuchs, Guerdat, von Eckermann, Camilli (der Mann von Vivien Schockemöhle), Emmen, Alrajhi (Saudi Arabien), Charles, Brash, Freitas Barche (Brasilien), Gulliksen, Thomas, Cook (USA), Pessoa, Azcarraga (Mexiko), Al Duhami, Takashi Haase, Al Marzooqi (Arabische Emirate), Vleuten, Wathelet, Kukuk, Delestre, Kühner, Kraut, Maher, Larocca und Weishaupt. Der Start erfolgt in umgekehrter Reihenfolge, also Philipp fängt an.
Jetzt zu den Gescheiterten: Mario Deslauries, der 56-jährige Kanadier, scheitert auf Rang 31 – das ist besonders hart. Dahinter gleich Rolf-Göran Bengtsson, natürlich auch schade für ihn! Um Cian O’Connor muss man nicht besonders trauern; sein Auftritt heute überzeugte nicht. Schade allerdings um McLain Ward, der stark begann, aber nach einem Abwurf nicht schnell genug ins Ziel kam.
Auch Gerome Guery und Katharine Romberg zählen zu denen, die nicht qualifiziert sind. Dasselbe gilt für den Franzosen Olivier Perreau. Der Schwede Peder Fredricson hatte wieder keine guten Tage in Versailles. Richard Vogel, ums nachzutragen, schaffte nur Rang 55! Sergio Alvarez Moya, der Spanier mit einem Pferd aus dem Besitz von Hugo Simon, wurde nur 60! Der Aachener Publikumsliebling Yuri Mansur aus Brasilien endete auf dem 62. Und Isabella Russekoff mit „C Vier“ sammelte als erste Reiterin 20 Strafpunkte. Rang 64. Das kapitale Springpferd war einmal mehr stärker als seine zierliche Reiterin, der viel reiterliches Handwerk fehlt.
Philipp Weishaupt sagt: „Ich habe vier Stunden im Stall gewartet, vorwärts, rückwärts, wie ich es jetzt mache. Das ist auch nicht ideal. Morgen kann ich einfach frisch losreiten, von vorneweg als erster Starter.“
Darf ich mal den Bundestrainer etwas Kritisches fragen: Wie kann es sein, dass Philipp vier Stunden im Stall warten muss, ehe der drankommt? Wie wär’s mal mit einer Idee, wie man solche Zeiten clever überbrückt und einen Reiter nicht allein lässt. Klar, auf normalen Turnieren muss niemand vier Stunden lang auf seinen Start warten. Wie steht’s eigentlich um euer Management bei Olympischen Spielen?
Otto Becker erklärt im FN-Pressedienst: „Lieber wäre es uns gewesen, wenn alle drei morgen im Finale wären. Wir sind froh, dass Philipp und Christian dabei sind. Vielleicht ist es ja ein gutes Omen. Im Teamspringen waren alle drei null und hatten dann Fehler im Finale – außer Philipp. Und nun sind sie mit einem Fehler weitergekommen. Und es fängt morgen bei null an. Ein neuer Wettbewerb – alles ist möglich.“
Ich bin sauer! Später mehr. Schönen Abend aus Stuttgart!