Was mein Freund und Kollege Carsten Sostmeier kann, der ARD-Kultreporter mit der hippologisch-lyrischen Ader, das kann ich auch. Deshalb starte ich hier und heute mit der ersten Zeile eines Weihnachtsliedes. Hoffentlich keine schöne Bescherung! Eine Medaille wär‘ ja prima. Am besten drei Goldene für Christian auf Cecker, Philipp auf Zineday und Richard auf United Touch. Ein bissle müssen wir uns allerdings noch gedulden. Erst um 14 Uhr heute Mittag läutet die Startglocke. Zehn Teams mit 30 Pferden. Alles zählt. Sollte es Punktgleichheit geben auf den Medaillenrängen, dann wird gestochen um das edle Metall. (Mit echtem Gold haben die Goldmedaillen leider nix zu tun.) 

Wie alle meine Fans wissen, liebe ich die Rückschau in vermeintlich bessere Zeiten. Dass die deutschen Militärs anno 1936 bei den Spielen von Berlin die erste Goldmedaille in der Geschichte der olympischen Reiterei seit 1912 geholt haben, ist den Älteren unter uns noch geläufig: Heinz Brandt mit Alchimist, Kurt Hasse mit Tora und Marten von Barnekow mit Nordland hießen die drei Helden. Die Nationalsozialisten nutzten ihren Sieg für ihre mörderische Propaganda. Ein finsteres Kapitel deutscher Sportgeschichte. (Heinz Brandt, immer nah am „Führer“, kam beim Attentat auf Hitler am 20. Juli ums Leben. Er hatte direkt bei der Bombe gestanden.)

1956, als die Reiterspiele nach Stockholm vergeben wurden, weil die Pferde nicht in angemessener Zeit nach Melbourne gebracht werden konnten, schlug die große Stunde von HG Winkler auf Halla. Obwohl mit einem schmerzhaften Leistenbruch aus dem ersten Umlauf, steuerte HGW seine Stute im zweiten zu Gold für ihn selbst im Einzel sowie für das Team mit ihm selbst, Fritz Thiedemann auf Meteor und Alfons Lütke-Westhues auf Ala.

1960 auf der Piazza di Siena in Rom waren HG Winkler auf Halla und  Fritz Thiedemann auf Meteor wieder zur Stelle, holten Gold mit dem jungen Alwin Schockemöhle auf Ferdl. Nur vier Jahre später, 1964 in Tokio, gab’s wieder Gold: HG Winkler auf Fidelitas, Hermann Schridde auf Dozent, der auch Einzelsilber holte, dazu Kurt Jarasinski auf Toro.

1972 in München siegte die Equipe der Gastgeber, erstmals wieder mit vier Reitern und einem Streichresultat: HG Winkler auf Torphy, Fritz Ligges auf Robin, Hartwig Steenken auf Simona und Gerd Wiltfang auf Askan. (Nachts um drei hatten die vier den Parcours im dunklen Olympiastadion schon mal besichtigt.) 1988 in Seoul wuchs der blutjunge Ludger Beerbaum über sich hinaus: Als sein Landlord verletzt war, stieg er auf Dirk Hafemeisters Ersatzpferd The Freak und half mit, Gold zu holen. Mit dabei Wolfgang  Brinkmann mit Pedro, Franke Sloothaak mit Walzerkönig und Dirk Hafemeister mit Orchidee. (So ein Pferdetausch wäre heute gar nicht mehr möglich!) Karsten Huck auf Nepomuk holte Einzelbronze.

1996 im Coca-Cola Imperium von Atlanta/USA wurde Uli Kirchhoff mit seinem Jus de Pommes sensationell Olympiasieger, Teamgold gab’s für ihn, für Franke Sloothaak auf Joly Coeur, für Lars Nieberg mit For Pleasure und Ludger Beerbaum mit Ratina Z. Schließlich die Spiele von 2000 in Sydney. Mannschafts-Gold für Otto Becker mit Dobels Cento, Ludger Beerbaum mit Goldfever, Lars Nieberg mit Esprit und Marcus Ehning mit For Pleasure. Dieser Fuchshengst ist das einzige Pferd der olympischen Sportgeschichte, das unter zwei verschiedenen Reitern zwei Goldmedaillen holte.

Und heute? Nach knapp einem Vierteljahrhundert wären unsere Reiter ja mal wieder an der Reihe. Aber dieses Teamfinale ist leider kein Wunschkonzert. Für die drei Nullrunden von gestern kann sich unser sympathisches Trio nun mal nix kaufen. Wie gesagt, um 14 Uhr läutet die Startglocke. Carsten Sostmeier überträgt bei Sportschau-Livestream, später im Ersten.

Dritter Starter ist übrigens Henrik von Eckermann, für mich der Topfavorit auf die Einzelwertung am Dienstag. Christian Kukuk und Checker folgen als zehntes Paar, dann Richard Vogel mit United Touch als 20. Und Philipp Weishaup, der Vize-Europameister, mit Zineday als 30. und Letzter.

Aus dem Pressezentrum in Versailles werden bereits die ersten „Goldtouristen“ gemeldet. Das sind Medienleute und andere VIPs, die immer nur dann erscheinen, wenn es um Goldmedaillen geht. Da hatte Michael Jung am Montag für dichtes Gedränge gesorgt. Der macht übrigens auf den Immenhöfen in Donaueschingen beim nationalen Springturnier wieder seine normale Arbeit mit den jungen Pferden.