Ich hatte ernsthaft vorgenommen, das Ende des Reitens im Modernen Fünfkampf unbeachtet, also auch unkommentiert zu lassen. Echt jetzt! Aber nachdem ich gestern die Auftritte von Annika Zillekens (früher Schleu) im Parcours von Versailles beobachtet habe, ist mir die Zornesröte ins Gesicht gestiegen. Vor allem auch deshalb, weil viele Kolleg*innen in den verschiedenen Medien von „Reit-Drama“ redeten und schrieben. In Wahrheit hat sich erneut das gezeigt, was ich bereits vor drei Jahren nach dem Desaster in Tokio geschrieben habe: Annika Zillekens und ihre Teamkameradin Rebecca Langrehr sind grottenschlechte Reiterinnen. Ich bleibe dabei, obwohl Frau  Zillikens überraschend und kurzfristig ins Finale nachgerückt ist und nach einer Nullrunde im Sattel Rang 15  von 18 belegte. Am Nachmittag hat Kim Raisner, die Bundestrainerin, ihren Rücktritt bekannt gegeben.   

Christof Siemes, renommierter Journalist und Redakteur der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“, hat vor Olympia Annika Zillikens eine ganze Seite gewidmet. Da stockt mir jetzt noch der Atem: Ein Persilschein von einer ganzen Seite! Streng fachlich beachtet ein kompletter Bockmist! Denn der Kollege Siemes arbeitet sich ab an den Gefühlen und Empfindungen von Annika Zillikens – vom Reiten, vom Umgang mit Pferden, vom notwendigen Training der Reiter hat dieser Autor keinen Schimmer.

Falls er, was ich nicht weiß, das gestrige Fiasko im Parcours gesehen hat – ich wüsste zu gerne, wie er jetzt über den Gegenstand seines Textes denkt. Was ich denke, schildere ich hier und jetzt: Mit dem ihr zugelosten Pferd Arezzo nimmt Annika Zillekens die zehn Hindernisse mit zwölf Sprüngen in Angriff. Der Kurs entspricht einem A-Springen, Jugendliche könnten ihn mühelos absolvieren, auch gut trainierte Ponys. Die Rechtswendung auf die niedere Zweifache schafft Zillekens nicht, kommt viel zu weit links an den Oxer – ihr Pferd stolpert hinein, die Stangen purzeln, am kleinen Steilsprung danach verweigert das Pferd klugerweise. Am Ende 25 Strafpunkte! Zunächst keine Chance, das heutige olympische Finale zu erreichen. Annika Zillekens hat sich seit ihrem Fiasko in Tokio vor drei Jahren reiterlich um kein Deut verbessert.

Ihre Teamkollegin Rebecca Langreher ergeht es noch schlechter: Sie stürzt schon auf dem Abreiteplatz – 20 Minuten lang muss der Wettkampf unterbrochen werden. Weshalb? Die Reiterin ist unverletzt, aber die amtierende Tierärztin verfügt: Dieses Pferd darf nicht mehr im Wettkampf eingesetzt werden! Die Bundestrainerin Raisner legt Protest ein. Sie meint, das Pferd sei ok. Der Protest wird zurecht abgeschmettert! Offenkundig will die Jury möglichen Schaden vom Pferd abwenden, will unbedingt vermeiden, dass diese miserable Reiterin aus Deutschland auch im Parcours in den Dreck fällt. Kluge Maßnahme zum Schutz von Pferd und Reiterin!

Hernach wird Annika Zillekens mit folgenden Sätzen zitiert: „Ich kann dem Pferd keinen Vorwurf machen. Leider ist die Stange unglücklich gefallen. Wir hatten extra eine Psychologin mitgenommen.“ Wenn ich das lese und höre, zieht’s mir die Schuh‘ aus! Das war übrigens schon während der  TV-Übertragung so, denn der ZDF-Kollege Heiko Klasen, völlig ahnungslos vom Reiten, passte sich dem hippologischen Niveau von Zillekens und Langrehr nahtlos an. Zitat: „Das Pferd ist ins Hindernis hineingeritten!“

Später wundert er sich darüber, dass man für den Fünfkampf in Deutschland Pferde aus Polen ausleihen muss. Meine kostenlose Nachhilfe für den Kollegen Heiko Klasen: Deutsche Pferdebesitzer gaben ihre Pferde deshalb nicht her, weil Fünfkämpfer furchtbare Reiter sind mit eisernen Zügelhänden!  Fragen Sie doch mal nach bei ihrem ZDF-Kollegen Hermann Valkyser! Der erklärt’s  Ihnen.

Da passten die neuerlichen Ausreden von Bundestrainerin Raisner bestens:  „Ich hätte mir ein besseres Abschneiden der beiden gewünscht.“ Was mich betrifft, ich hätte mir ein besseres Reiten der beiden Frauen gewünscht! Hoffentlich hängen beide spätestens morgen, wenn sie wieder daheim sind, ihre Reitstiefel an den berühmten Nagel. Die Pferde werden es ihnen danken!

Noch ein Beispiel aus dem gestrigen Wettkampf: Eine junge Aktive reitet in den Parcours, grüßt und legt gleich schneidig los. Nach dem ersten Sprung läutet die Glocke: „Bing!“ Keine Reaktion der Reiterin. Bei Sprung drei läutet die Jury zweimal: „Bing! Bing!“ Keine Reaktion der Reiterin. Sie zieht weiter ihre Bahn, reckt beim Überreiten der Ziellinie die Hand gen Himmel – siegesgewiss! Winkt heftig ins Publikum. Da hatte die Jury schätzungsweise zwölfmal geläutet: „Bing! Bing! Bing! undsofort.“ Kollege Klasen weiß nicht, was los ist – erst später mutmaßt er: „Sie ist vielleicht zu früh gestartet, hat die Glocke nicht abgewartet?“ Glückwunsch Heiko Klasen: Stimmt haarscharf!

Wenn wir eine solche Fehlleistung erleben auf einem kleinen Turnier, wo Kinder und Jugendliche zum ersten Mal an einem Wettbewerb teilnehmen,  kann das in der Aufregung des Anfängers passieren. Kein Problem. Aber wir waren gestern bei den Olympischen Spielen in Paris!

Apropos waren. Das Reiten im sogenannten Modernen Fünfkampf ist von heute an Vergangenheit. Gott sei’s gelobt, getrommelt und gepfiffen.

PS. Für Annika Zillekens ein versöhnliches Ende. Sie ist im Sattel des ihr zugelosten Pferdes zurechtgekommen, weil kein Druck mehr war und sie rein gar nichts mehr zu verlieren hatte. Ihr Image als schlechte Reiterin hat sich dadurch nicht geändert. Sie bleibt in Erinnerung als jemand, die ihr eigenes Versagen den Pferden zuwies. Jetzt möchte sie als Lehrerin arbeiten. Hoffentlich nicht als Reitlehrerin!

Soeben schaue ich ins Internet (15.40 Uhr) und lese: Kim Raisner, die Bundestrainerin, tritt zurück, hat ihren Job gekündigt, scheidet zum 30. September aus. Zur Begründung nennt sie Entwicklungen im Verband, die sie  nicht gutheiße und nicht mitmachen wolle. Das kommentiert sich selbst.