Nach der spektakulären, weltweit hochgelobten Eröffnungsfeier von gestern Abend hat im Park von Versailles die Dressur der Buschreiter begonnen. Unter Dauerregen. Julia Krajewski und ihr Holsteiner Nickel mussten den Anfang machen, starteten mit starken 26,9 Minuspunkten. Laura Collett und ihr London liegen aktuell (14.30 Uhr) an der Spitze mit 17,50 Punkten, gefolgt von Michael Jung und Chipmunk mit 17,80 Punkten. Klare Ansage! Christoph Wahler war wackelig mit 29,4 Punkten. Unser Team beendet die Dressur mit 74,10 Punkten. Die Briten führen mit 66,60 Punkten.
Michael Jung sagte nach seinem Ritt vor wenigen Minuten: „Mein Gefühl war sehr gut. Chipmunk war phantastisch zu reiten heute, er war so bei mir, so kraftvoll, hat sich groß gemacht. Und trotzdem so eine Ruhe ausgestrahlt. Das Ergebnis und das Gefühl sind ja immer etwas unterschiedlich, aber ich bin sehr zufrieden und sehr happy, wie er gegangen ist. Zum einen muss ich sagen, alles lief perfekt nach Plan. Ich bin auch mehr als glücklich.
Ich glaube, wir haben die Vorbereitungen und in der Prüfung alles richtig gemacht. Vielleicht das Rückwärtsrichten – weiß ich nicht, da hab ich gehört, das war etwas hakelig. Aber ich will jetzt überhaupt nicht darüber nachdenken, was könnte jetzt schlecht gewesen sein, sondern ich freue mich darüber, was alles gut war.“
Julia Krajewski sagte heute am Vormittag: „Ich bin mit Nickel sehr zufrieden, er will ja immer alles richtig machen. Selbst wenn er sich mal nicht ganz sicher ist, wie in der Ecke bei C, da hat er ein bisschen reingeluscht. Aber machte trotzdem den Wechsel gut und hört trotzdem auf mich, was ganz viel wert ist. Ansonsten glaube ich, war sehr viel Gutes dabei. Ich hab‘ natürlich selbst immer was zu meckern, aber so als erster Starter sind die 26,9 Punkte schon mal ganz solide.
Ich bin also sehr stolz auf Nickel. Wie er da so reingekommen ist, mit Fanfare, was natürlich schön ist, aber ich glaube, die sollte eigentlich schon fertig sein. Was alle anderen vielleicht gestört hätte, aber Nickel hat sich gedacht, das kommt mir jetzt gerade recht. Und dann war der Anfang ein bisschen schwierig. Die hatten das noch nicht ganz sortiert.
Das ist hier ein ganz strenges Zeitraster. Das Band geht runter, 30 Sekunden, dann klingeln sie. Dann hast du 45 Sekunden Zeit. Und ich hatte mir das genau ausgetüftelt. Dann klingelte die Richterin, aber der Countdown ging nicht an. Und dann kam ich gerade so herum und rein. Ich glaube, da war die Richterin schneller als das Organisationsteam. Aber dann dachte ich, los jetzt – ist jetzt egal.“
Das war der Originalton von Julia in die Mikrofone der FN-Pressedamen. Auch bei der Liveübertragung des ZDF-Kollegen Hermann Valkyser konnte man das mitverfolgen. Die Technik der französischen Organisatoren war noch nicht zu hundert Prozent auf der Höhe. Bei vielen Reitern gab’s keine Zwischennoten. Wichtig für unser Team: Julia Krajewski und ihr Nickel haben mit den 26,90 Punkten ihr bisher bestes Dressurergebnis abgeliefert. So kann’s gerne weitergehen…
Christoph Wahler nach seinem Ritt mit Höhen und Tiefen: „Ich würde sagen, mit 29,4 Punkten geht die Welt nicht unter, das ist alles im Rahmen. Wenn du hier gewinnen willst, musst du besser sein, glaube ich. Das ist mir jetzt nicht gelungen, aber als Mannschaft stehen wir immer noch gut da und wir haben alle Chancen der Welt. Und ich glaube, wir haben den weltbesten Reiter, den es gibt in unseren Reihen. Und der war noch nicht dran. Also heißt es, man muss erst einmal abwarten.“
Christoph Wahler versucht, es locker und zuversichtlich zu sehen. Aber Fakt ist: Er war mit seinem Carjatan dem Briten Tom McEwen knapp auf den Fersen, im ersten Drittel der Aufgabe jedenfalls allerbestens unterwegs. Er bekam Achter und sogar Neuner. Plötzlich wurde der Schimmel nervös wie schon öfters, reagierte übereifrig – sein Reiter verlor phasenweise Kontrolle und Einwirkung. Immerhin fingen sich beide wieder, aber wertvolle Punkte sind leider verloren. Wahler muss froh sein, dass die Jury ihn noch unterhalb der 30-Punkte-Marke eingeordnet hat.
Andere steigerten sich auf den Punkt: Karin Donckers, die 53- jährige Legende aus Belgien, bei ihren siebten Olympischen Spielen. In Barcelona 1992 war sie Achte, in Hongkong 2008 Neunte. Heute ging ihr 13-jähriger Leipheimer mit verdienten 26,6 Punkten großartig – ein athletisches Klassepferd.
Stand aktuell zur Pause bis 14.15 Uhr: Tom McEwen an der Spitze mit 25, 8 Punkten, dahinter Karin Donkers mit 26,9 und Julia Krajewski mit 26,9. Vierter ist Robin Godel aus der Schweiz mit 29,1, danach kommt Christoph Wahler mit 29,4 und Karim Laghouag mit 29,6 – für mich mit einem Heimbonus für die Franzosen. Soeben hat sich Laura Collett auf London mit bärenstarken 17,50 Punkten an die Spitze gesetzt. Alle anderen rutschen einen Platz zurück. Das riecht doch schon mal mächtig nach Medaille für die Briten. Rose Canter kommt um 17.21 Uhr.
Versailles um genau 16.18 Uhr an diesem olympischen Samstag. Michael Jung hat einen starken Ritt angekündigt – er hält sein Wort, bekommt von der Jury sogar Zehner. Fehlerfrei, locker und schwungvoll, alles korrekt. Eine perfekte Vorstellung. Später werde ich genauer nach den Noten im Detail schauen. Michaels Ziel bei der Dressur: „Ich möchte auf jeden Fall mit einer Note unter der 20-iger Marke beginnen.“ Das ist heute geglückt. Die Deutschen mischen auf jeden Fall mit, wenn es um die Medaillen geht.
Mal schauen, was dieser Samstag noch so alles bringt…