Geht es euch, liebe Leserinnen und Leser wie mir: Diese denkwürdigen olympischen Reiterspiele sind vorbei. Aber die Ereignisse im Schlosspark von Versailles schwirren uns immer noch im Kopf herum. Hier und heute widme ich deshalb diesen Blog unseren eidgenössischen Freunden, die eine Achterbahn der Gefühle hinter sich haben: Erst das Debakel in der Qualifikation zum Teamspringen – ein nationales Desaster. Schließlich die verdiente  Silbermedaille für Steve Guerdat. Beide haben sich hernach geäußert gegenüber dem Schweizer Fernsehen (SRF zwei). Wichtige Worte! 

Mit seiner neuen Silbermedaille um den Hals stellt sich Steve Guerdat den Fragen. Er sagt: „Ich war total durcheinander, das war etwas ganz Neues: Wir wussten nicht, was los war.“ Zur Erinnerung: Steve und Dynamix mit zwei Abwürfen, Martin und Leone Jei mit einem, Pius Schwizer auf Vancuver gar mit drei Abwürfen: 21 Strafpunkte –  kein Platz im Teamfinale. Steve sagt weiter: „Es folgten drei lange Tage, die nicht so angenehm waren. Aber wir haben probiert, das gegenseitige Vertrauen wiederzufinden. Heute haben wir gesehen, dass es wieder da war.“

Zu seinen Ritten im Einzelfinale am Dienstag erklärt Steve: „Ich bin stolz auf mein Pferd und auf das ganze Team, das hinter mir steht. Und natürlich auch stolz darauf, dass wir nach dem schlechten Resultat zurückgekommen sind.“

Den Gewinn der Silbermedaille in Versailles sehe er als eine Bestätigung: Dass es nach London 2012 nicht ein weiteres Mal zu Gold gereicht hat, trübe seine Freude nicht: „Ich ordne diese Medaille ganz oben ein. Eine Einzelmedaille an Olympia zu holen, ist sehr selten. Viele der allerbesten Reiter haben das nie geschafft. Ich hab‘ nun schon die zweite. Ich bin stolz, dass ich beweisen konnte, zu den Besten zu gehören. Und dass das Gold in London kein Zufall war.“

Und dann diese erstaunlichen Sätze: „Ich bereue es sehr, dass ich die Goldmedaille damals ein bisschen zu wenig genossen habe. Deshalb habe ich mir versprochen, dass ich diese Medaille jetzt richtig feiern werde.“ Und mittlerweile ist klar, was er dem neuen Olympiasieger Christian Kukuk zu diesem Aspekt dringend geraten hat: „Du bist jetzt Olympiasieger. Dein Leben wird sich total verändern. Genieße es und lass‘ Dich feiern! Mach‘ nicht denselben Fehler, den ich 2012 gemacht habe!“

Was wohl nur wenige am Rand der Parcours gemerkt haben: Der Niederländer Peter van der Waaij ist seit Jahresanfang neuer Equipenchef der Eidgenossen. Er trug zum ersten mal die sportfachliche Verantwortung – und gleich für Olympia. Jetzt sagte er: „Mit Blick auf unser schlechtes Team-Resultat kann Steves Medaille gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das sagt etwas über die Professionalität unserer Reiter. Wenn sie am Boden sind, stehen sie wieder auf. Steve ist unglaublich gut geritten. Schade, dass er im Stechen einen Fehler hatte. Aber diese Silbermedaille ist unglaublich gut.“

Martin Fuchs hingegen, im Voraus ebenfalls als einer der Topfavoriten auf eine Einzelmedaille gehandelt, war am Ende des Wettkampfes sichtlich frustriert: „Ich bin sehr enttäuscht. Mein Pferd ist phantastisch gesprungen. An der Kombination hat er einen Extra-Effort gemacht – deshalb hat es mich für einen Moment aus dem Sattel geworfen – ich hab‘ dadurch den Bügel verloren. Mit nur einem Bügel war es brutal schwierig. Am letzten Sprung fehlte mir ein bisschen der Schwung.“

Sein neuer Equipenchef sagte dazu: „Martin hätte es verdient gehabt, im stechen dabei zu sein. Aber für Martin nur ein schwacher Trost: „Mir wäre es lieber, wenn ich diesen Ritterschlag nicht bekommen und statt dessen beide Bügel gehabt hätte.“

Mein kurzer Kommentar: Der 32-jährige Martin Fuchs und der 42-jährige Steve Guerdat zählen zu den ganz besonders sympathischen Profis im Kreis der Weltbesten. Steve äußert sich immer wieder kritisch und selbstkritisch über die Entwicklung des eigenen Sports, hält auch mit unbequemen Ansichten nicht hinter dem Berg. Martin trägt sein Herz auf der Zunge. Ich kann mir vorstellen, welch ein Tiefschlag es für beide war, das olympische Teamfinale verfehlt zu haben. Eine Schmach – nicht zuletzt angesichts der enormen Hoffnungen und Erwartungen im eigenen Land.

Ich bin mir sicher, das diese schwere Niederlage nicht ohne Folgen bleiben wird. In zwei Jahren, bei der nächsten WM 2026, werden wir eine gestärkte Equipe der Eidgenossen sehen. Dann wieder nach den bewährten alten Regeln: Vier Reiter, vier Pferde. Dazu das die Pferde und ihre Reiter entlastende Streichresultat! Zugegeben, dass nutzt allen Aktiven. Und das ist gut so!