Unser Bundestrainer hatte gestern auf der weltberühmten Piazza di Siena gleich zweierlei zu feiern: „Vor genau vierzig Jahren bin ich zum ersten Mal hier in Rom gestartet!“ Und: „Die drei Damen haben heute geliefert. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals einen so hochkarätigen Nationenpreis mit drei Reiterinnen gewonnen hätten.“ Daniel Deusser und sein „Klötzchen“ im ersten Umlauf vergaß Otto dabei. Die zweite Runde sah Daniel von der Tribüne aus.“ Drei Doppel-Nuller von Jana Wargers, Jörne Sprehe und Kendra Brinkop – Da zieh‘ ich meinen Hut!
1929, das ist wirklich lange her, hat man auf der Piazza di Siena das erste große Reitturnier ausgerichtet. 1911 hatte die italienische Springschule in Tor di Quinto, unweit von Rom, damit begonnen. In der dortigen Kavallerieschule entwickelten die schlauen Italiener eine Revolution im Springreiten: Über dem Sprung neigte man den Oberkörper nach vorne, passte sich geschmeidig und ohne das Pferd zu stören, seiner Bewegungskurve an. Eine im Grunde völlig logische Tendenz.
Nur die sturen Deutschen Militaristen blieben seinerzeit noch überm Hindernis stocksteif in der Senkrechten sitzen, fielen dem Pferd bei der Landung wie Mehlsäcke in den Rücken. Wenn ich heute die alten Aufnahmen sehe, läuft es mir immer noch kalt den Rücken herunter. Später schwenkte man weltweit ein in die italienische Springschule von Tor di Quinto.
Schade übrigens, dass es kein Archiv gibt, aus dem man beispielsweise herauslesen könnte, wie oft (oder wie selten) Nationenpreise mit sechs Nullrunden gewonnen wurden. Auch bei den Italienern finde ich bis dato keine „ewige“ Siegerliste für ihren Nationenpreis auf der Piazza di Siena. Für mich liegt der Stellenwert dieses Wettkampfes, das früher „Coppa d’Oro“ hieß, gleich hinter dem Nationenpreis von Aachen.
Apropos Geschichte. In den unseligen dreißier Jahren hieß er Siegerpokal von Rom „Coppa Mussolini“ nach dem italienischen Diktator. In Warendorf findet sich eine solche Coppa aus den frühen vierziger Jahren – damals geholt von den deutschen Militärreitern.
Otto Becker wird kurz nach diesem quasi historischen Erfolg von gestern so zitiert: „Ich bin überwältigt von diesem Resultat und erstaunt, wie wir heute Geschichte geschrieben haben. Die sechs Nullrunden waren brillant. Nie zuvor hatten wir solch ein Resultat. Hier in Rom zu gewinnen, an diesem so besonderen Turnier, ist für uns alle sehr speziell. Ich bin total glücklich!“
Jana Wargers sagte: „Die Nationenpreise sind immer besonders. Und du musst konzentriert sein – vom ersten bis zum letzten Hindernis. Ich hatte ein gutes und sicheres Gefühl im Sattel, denn Dorette gab mir das Gefühl, dass es keine Rolle spielte, welcher Sprung gerade vor uns war. Sie wollte darüber springen.“
Jörne Sprehes Statement: „Mein Pferd Hot Easy ist manchmal hot, aber nimmt’s nicht easy! Ich bin sehr stolz auf mein Pferd – es hat heute einen tollen Job gemacht. Ich mag es, wenn Uliano (Vezzani) den Parcours baut. Seine Kurse sind wunderbar zu reiten.“
Kendra Brinkop, am Pfingstmontag Siegerin des Großen Preises von Bourg en Bresse auf Do it Easy (Prämie 26 375 Euro), sagte: „Wir hatten heute einen großen Tag. Wir dürfen nicht vergessen, dass mein Pferd Tabasco erst neun Jahr alt ist. Es war sein erster Nationenpreis! Es war wirklich ein toller Parcours.“
Und nochmal Otto Becker: „Ich habe vor kurzem meine Mutter besucht. Sie hat an der Wand einige Fotos von mir, die entstanden sind, als ich zum ersten Male hier in Rom gestartet bin. Das war 1984. Ich hab’s bis heute nicht vergessen. Lasst uns heute diesen historischen Sieg feiern. Danach können wir an Paris denken. Heute haben wir Geschichte geschrieben.“
Es war übrigens, so meldet es die römische Pressestelle, der 11. deutsche Sieg im Nationenpreis von Rom. Der letzte Sieg, ich hab’s gestern schon berichtet, stammte aus dem Jahr 2012.