Hier und heute zäume ich das Pferd absichtlich mal am Schweif auf. Soll heißen: Wenn die am Wochenende in Abu Dhabi beginnende, neue Serie der „Longines League of Nations“ nach vier Stationen in Barcelona endet, dann gibt es zum ersten Male überhaupt eine Reihe von speziellen Boni: 40 000 Euro extra für den Reiter mit den meisten Nullrunden. 20 000 Euro extra für den „Rookie of the Year“, also den besten Jungspund. Für die fünf Grooms der siegenden Equipe liegen jeweils 5000 Euro bereit. Und nicht zuletzt: Der Chef d’Equipe des siegenden Teams kann sich über einen Sonderbonus von 15 000 Euro freuen.
Bei nächster Gelegenheit frage ich Otto Becker mal, was er im Fall des Falles mit diesem Geld anfangen würde – und wie sehr ihn das jetzt schon motiviert.
Die alte, um nicht zu sagen, die uralte Nationscupserie der FEI ist bekanntlich Vergangenheit. Die neue Serie wurde vor Monaten, man erinnert sich, nach Abu Dhabi (7. bis 11. April), Ocala/Florida (19. bis 23. März), St. Gallen (30. Mai – 2. Juni) sowie nach Rotterdam (20. bis 23. Juni) vergeben, das Cupfinale wie erwähnt und bewährt nach Barcelona (3. bis 6. Oktober), wo die punktbesten acht Mannschaften antreten dürfen. Jede der vier Qualifikationen ist mit 700 000 Euro dotiert. Insgesamt elf Equipen dürften teilnehmen an diesen Nationenpreisen, wie gehabt mit zwei Umläufen und Streichresultaten.
Für den Sieg gibt’s 230 000 Euro, für Rang zwei 145 000 Euro, für Platz drei 105 000 Euro. Die Ränge vier und fünf sind mit 70 000 Euro und 42 000 Euro ausgestattet. In Abu Dhabi läuft der Nationenpreis am Sonntag (13.30 und 16 Uhr Ortszeit), der mit 308 000 Euro dotierte Große Preis bereits am morgigen Freitag (Ortszeit 19 Uhr). Auf der Meldeliste stehen zehn Teams, Parcourschef ist Santiago Varela. Alles, was Rang und Namen hat, ist bereits in Abu Dhabi angelangt. Wer letztlich für welches Team antritt, wird sich zeigen. Die ellenlange Namensliste erspare ich Ihnen und mir.
Zur Erinnerung und für alle diejenigen, die sich mit diesem neuen Wettbewerb, bei dem es Millionen zu gewinnen gibt, noch nicht beschäftigt haben, folgende wichtige Details: Der gute alte Nationenpreis ist keineswegs tot, es bleiben nicht weniger als 13, teils höchst traditionelle Austragungsorte, allen voran natürlich die Aachener Soers, dazu aber auch Rom und La Baule, Falsterbo und Hickstead, Dublin und Calgary, Prag und Sopot, Rabat und Vejer de la Frontera. Nicht zu vergessen: Die sogenannte EEF-Serie, also salopp gesagt die „zweite Liga“ mit ihren 10 Stationen und dem Finale im September in Warschau bleibt bestehen. Mannheim ist die einzige deutsche Station vom 1. bis 7. Mai.
Ohne gewisse Aufwallungen hinter den Kulissen ist die Einführung der neuen League of Nations natürlich nicht verlaufen – zu einschneidend sind die Änderungen für die angestammten Austragungsorte. Dazu hat mein Freund und Kollege Dieter Ludwig dieser Tage (Ludwigs Pferdewelten.de) allerhand herausgefunden: Enttäuschte Ausrichter haben ihrem bisherigen Sponsor Longines den Rücken gekehrt – ins Lager des Sponsors Rolex! Es handle sich, so berichtet Dieter Ludwig, um Rom und La Baule, Windsor und Dublin, Dinard und Knokke, Brüssel und Wellington. Zum Rolex Grand Slam gehören, nur der Vollständigkeit halber sei’s gesagt, Calgary, Aachen, Genf und Herzogenbosch.
Wie man es auch dreht und wendet: Bedenkt man, dass das Weltcupfinale 2024 in Springen und Dressur im April in Riad ausgetragen wird, so zeigt sich die immer stärkere Attraktivität der Turniere im Nahen Osten. Dahinter steckt eine klare sportpolitische Überlegung: Ziel ist es, nicht nur ein Zentrum des Weltsports zu werden, sondern in absehbarer Zeit die Olympischen Spiele auszurichten.
Weltberühmte Fußballprofis wie Christiano Ronaldo kassieren im arabischen Raum bereits Fabelsummen. Man bemüht sich aber auch höchst intensiv um Randsportarten wie etwa das Springreiten. Nicht von ungefähr haben sich Profis wie Christian Ahlmann, David Will und einige andere bereits Standbeine im Nahen Osten geschaffen, wo sie ihre Pferde quasi dauerhaft unterstellen. Es eröffnen sich im Orient einträgliche neue Geschäftsfelder.
Dabei wird – nicht nur von den Reiten – ziemlich ausgeklammert, dass es Sachen Menschenrechte und auch Pressefreiheit nach wie vor massive Probleme gibt. Das gerne gebrauchte Argument, man wirke doch mit seiner Anwesenheit mäßigend auf die Machthaber ein, vermag mich nicht restlos zu überzeugen. Wir werden sehen, wohin der Weg der internationalen Reiterei in den kommenden Monaten und Jahren führt. Es wird spannend und ich bleibe ein skeptischer Optimist!